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Wilhelm von Humboldt an Friedrich August Rosen, 30.04.1831

|1*| Ich kann Ihnen, theuerster Freund, nicht lebhaft genug für die Güte dancken mit welcher Sie mir die zweite Ausgabe des Raffles’ so schnell geschickt haben. Leider bin ich aber mit dieser Ausgabe sehr übel angekommen und sie ist für mich durchaus werthlos. Der Verleger hat nemlich alle Wörterverzeichnisse weggelassen oder vielmehr von jedem auf wahrhaft lächerliche Weise den Anfang gegeben, und dann geradezu abgebrochen. Ein solches Wörterverzeichniß ist von 90 Quartseiten auf zwei Octavseiten zurückgebracht. Von dieser Veränderung ist aber weder auf dem Titel noch sonst irgendwo, soviel ich habe sehen können, eine Anzeige gemacht. Der mit der ersten Ausgabe unbekannte Käufer muß wirklich glauben, daß der arme Raffles selbst so vernunft- und zwecklose Wortverzeichnisse gemacht hat.

Mir bleibt nun nichts anderes übrig, als Sie, theuerster |2*| Freund noch einmal zu bemühen, und Sie zu bitten, mir die erste Ausgabe zu kaufen, welche allein wissenschaftlichen Werth hat. Ich fürchte nur leider, daß sie vergriffen sein wird. Wäre dies nicht der Fall, so bitte ich um recht schleunige Uebersendung. Das erhaltene Exemplar würde ich zwar sehr gern für die Hälfte des Preises hingeben ich zweifle aber daß Murray es wieder zurück nimt |sic|.

Ich bitte Sie, theuerster Freund, mir über diese beiden Punckte, ob die erste Ausgabe vergriffen ist, und ob an ein Zurücknehmen des empfangenen Exemplars zu denken wäre, wenn es irgend möglich ist, umgehend zu antworten, da ich bis zum Empfange Ihrer Antwort das neue Exemplar noch unaufgeschnitten liegen lasse.

Zugleich erlauben Sie mir noch einen wissenschaftlichen Punckt zu berühren. Ich studiere jetzt von zeit zu zeit Ihre Veda-Fragmente, und habe darin gefunden, daß als casus obliquus des Pronomens der zweiten Person sing: sowohl tve als te gebraucht wird. Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie die Güte haben wollten, mir zu sagen, ob Sie glauben, daß |3*| ursprünglich beide Formen nebeneinander gebräuchlich gewesen sind, oder ob die von te nur durch die Schuld neuerer Abschreiber denen welche sie natürlich geläufiger war, aufgenommen worden ist? Es muß sich dies nach dem Umstande entscheiden lassen, ob in denjenigen Handschriften, welchen man sonst Ursache hat, in Absicht der Treue in diesen Einzelheiten der Schreibung den Vorzug zu geben, dies te auch häufig vorkommt. Ich gestehe, daß ich Grund habe zu glauben, daß beide Formen gleichzeitig vorhanden gewesen sind, und daß, wenn eine die spätere ist, dies eher tve sein möchte.

In diesem Augenblicke erhalte ich den Crawfurd für den ich Ihnen ausnehmend verbunden bin.

Leben Sie herzlich wohl
Mit der hochachtungsvollsten Freundschaft
| Handschrift wvh| der Ihrige,
Humboldt.
| Handschrift Schreiber| Berlin den 30t April 1831

N. S. Da ich so eben sehe daß der Raffles nur Ein Pfund acht Schillinge nicht wie ich irrig voraussetzte das Doppelte kostet so werde ich ihn auf jeden Fall behalten und bitte Sie Sich weiter keine Mühe wegen der Zurücknahme desselben zu geben. Indeß |4*| wünsche ich um so mehr daß es Ihnen gelingen möge ein Exemplar der ersten Ausgabe zu finden

Zitierhinweis

Wilhelm von Humboldt an Friedrich August Rosen, 30.04.1831. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/1012

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