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Wilhelm von Humboldt an Friedrich August Rosen, 16.02.1833

Das sehr gütige Schreiben, mit welchem Sie mir, theuerster Freund, die neue Abschrift des Verzeichnisses der Javanischen Handschriften zugeschickt haben, verpflichtet mich zu dem lebhaftesten Danke. Anstatt daß Sie der Entschuldigungen gegen mich zu bedürfen glauben, fühle ich, wie schwer es mir werden würde, die viele Mühe zu rechtfertigen, die ich Ihnen verursache, wenn ich nicht der gütigen Nachsicht Ihrer Freundschaft gewiß wäre.

Das Verzeichniß der Handschriften befriedigt mich jetzt vollkommen und es thut mir nur leid Ihnen so viele Mühe damit verursacht zu haben.

Die Bücher zu denen Sie mir Hoffnung machen, werde ich mit großem Vergnügen empfangen, so wie ich schon jetzt den Missions Bericht erhalten habe. Wenn Sie mir aber erlauben, so wünschte ich Ihnen heute eine Frage vorzulegen, auf welche ich gern recht schnell eine Antwort hätte. Meine Javanischen Arbeiten haben mich auf die Zahlenbezeichnung durch Wörter geführt deren Sie auch in Ihrer Uebersetzung des Arabischen algebraischen Werkes erwähnen. Ueber die Sache selbst bedarf ich keiner Erläuterung. Das einzige aber was ich zu wissen wünschte, wäre ob man finden kann, daß die Indier ein Sicherungsmittel des Verständnisses angewandt haben und welches dasselbe gewesen ist? Finden sich in den Texten die Sie und Colebrooke im zwölften Theil der Asiatick researcher |sic| anführen, außer den durch Wörter geschriebenen Zahlen, dieselben Zahlen in Ziffern angegeben und liefern wenigstens die Scholien solche Erklärungen? oder giebt es eigne Glossarien über diese künstlichen Zahlwörter? Hat also Colebrooke auf diese Weise die angedeuten |sic| Zahlziffern herausgebracht, oder ist die Erklärung oder vielmehr die bloße Uebertragung der Ziffern bloß eine Frucht seines Scharfsinns? In WilsonWörterbuch finde ich, daß, nach Hemachandra, der Mond bei den Jainas das Emblem der Einheit sei. Finden sich nun aber solche Angaben nur einzeln und gelegentlich oder hat man sie auch zusam-mengestellt. Vielleicht könnten Sie, bester Freund, dem alten, freilich nicht immer leicht zugänglichen Colebrooke etwas mündliches hierüber ablocken. Ich würde mit Ihrer Erlaubniß von den Notizen die ich durch Sie erhielte, in meinem Buche Gebrauch machen.

Ich bin Ihnen sehr für das Interesse verbunden welches Sie an meinem kleinen Aufsatz über das Tagalische Alphabet nehmen. Ich habe ihn in großer Eile, aber mit einer gewissen Vorliebe für einige darin entwickelte Ideen geschrieben und habe dann auch immer die Meinung, daß die Briefform nicht eine bloße Form ist, sondern daß man wirklich kühner, als in anderen Aufsätzen, mit Meinungen hervorgehen kann. Es mag daher wohl viele über diesen Aufsatz zu machende Berichtigungen geben und ich danke Ihnen sehr für diejenigen welche Sie mir mittheilen und denen ich genauer nachdenken werde. Ich hatte selbst, als ich hinschrieb, daß das Sanskrit nie zwei Vokale unmittelbar folgen läßt, Bedenken über die Allgemeinheit der Behauptung. Da jedoch Ihnen, der Sie darauf aufmerksam geworden sind, nur zwei Fälle des Gegentheils vorgekommen sind, so scheint es mir doch, als thue dies der Allgemeinheit der Behauptung für die daraus zu ziehenden Folgerungen keinen Eintrag. Was den anderen Punkt betrifft, so gestehe ich, daß mir Ihre Erklärung nicht recht genügt. Es ließe sich ganz füglich der kleine Haken des r-Vokals an den Consonanten-r anbringen.

Ich will Sie aber nicht länger ermüden und bitte Sie, liebster Freund, nur noch die Versicherung anzunehmen, daß ich, auch entfernt, Sie und Ihre so schön fortschreitenden wissenschaftlichen Arbeiten mit dem lebhaftesten und freundschaftlichsten Antheile begleite.
| Handschrift wvh| Humboldt
| Handschrift Schreiber| Tegel den 16t Februar 1833.

An
Herrn Dr. Rosen Wohlgeboren in London.
Zitierhinweis

Wilhelm von Humboldt an Friedrich August Rosen, 16.02.1833. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/1015

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