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Wilhelm von Humboldt an Bartholomäus Kopitar, 18.08.1826

|1| Ew. Wohlgebornen nehme ich mir die Freiheit, im Vertrauen auf Ihre mir ehemals in Wien oft bewiesene Gewogenheit, um ihre Unterstützung in einer literarischen Angelegenheit zu bitten.

Bei meinen Untersuchungen über die Americanischen Sprachen, die ich in einiger Zeit herauszugeben denke, bin ich auch auf des verstorbenen würdigen Dobrizhoffers Schriften über die Abiponische Sprache gekommen. Dieser fleißige Mann hatte, wie er selbst in seiner historia de Abiponibus, T. II. p. 198. erzählt, auf frühere Vorarbeiten andrer Missionarien gestützt, ein Abiponisches Wörterbuch angefertigt, das er, als er sein Werk schrieb, also 1784. noch besaß.

Es fragt sich nun, ob dies Wörterbuch nicht noch wieder aufzufinden seyn sollte?

Wäre es möglich, so wäre es ein großer Gewinn. Denn es giebt, außer den kurzen Capiteln in Dobrizhoffers Geschichte (T. 2. p. 161–211.) durchaus nichts über diese Sprache, u. da sie sehr nahe mit andren Americanischen verwandt ist, so würde ihr Wörterbuch auch über diese Licht verbreiten. Werden Handschriften dieser Art auch nicht begierig aufgesucht, u. sorgfältig erhalten, so vernichtet man sie doch auch nicht leicht, u. so schien es mir nicht unmöglich, daß diese noch entweder in der K. K. Bibliothek in Wien, oder wenn Do-|2| brizhoffer vielleicht in einem Kloster gestorben ist, in der Bibliothek dieses Klosters, oder bei seinen Erben, wenn diese sich ausmitteln ließen, anzutreffen wäre.

Ew. Wohlgebornen würden dem vergleichenden Sprachstudium einen nicht unwichtigen Dienst leisten, u. mir eine ungemeine Gefälligkeit, die ich sehr dankbar erkennen würde, erzeigen, wenn Sie die Güte haben wollten, auf diese Weise Nachforschungen nach diesem Wörterbuch anzustellen, u. mir vom Erfolge gütige Nachricht zu geben. Wäre die Handschrift erst ausgemittelt, so dürfte es nachher wohl weniger schwer seyn, daß ich wenigstens eine genaue Abschrift derselben erhielte.

Ich bin vor einiger Zeit so glücklich gewesen, eine sehr wichtige handschriftliche Grammatik der Sprache der Chiquitos des Exjesuiten P. Camaño, die der berühmte Schlözer in den 70ger Jahren in Rom erhalten hatte, durch dessen Sohn aus Moscau zu erhalten, wo sie unbenutzt u. vergessen lange Jahre gelegen hatte. Vielleicht begünstigt mich jetzt ein gleicher Glücksfall.

Indem ich Ew. Wohlgebornen recht sehr um Verzeihung bitte, Ihnen mit dieser Bitte beschwerlich zu fallen, habe ich die Ehre, mit der ausgezeichnetesten Hochachtung zu verharren

Ew. Wohlgebornen
ergebenster,
Humboldt
Berlin, den 18. August, 1826.

NS. Meine addresse ist:
an Herrn Staatsminister von
Humboldt
in
Berlin.

|3 vacat|
|4, Anschrift|
An
den Kaiserlich Königlichen Ober-Bibliothekar,
Herrn von Copitar,
Wohlgebornen,
in
Wien.
frei.

Über diesen Brief

Eigenhändig
Schreibort
Antwort auf
-
Folgebrief
-

Quellen

Handschrift
  • Grundlage der Edition: Wien, Österreichische National-Bibliothek, Autogr. 11/44-1
Druck
  • Mattson 1975, Heft 2, S. 314
Nachweis
  • Mattson 1980, Nr. 7650
Zitierhinweis

Wilhelm von Humboldt an Bartholomäus Kopitar, 18.08.1826. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/1057

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