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Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 15.08.1824

|1*| Ottmachau, den 15. August, 1824.

Ich benutze die frühere Abreise meines jüngsten Sohnes von hier, um Ew. Wohlgeboren die Inlage zu schicken. Ich habe mit dem größesten Interesse und Vergnügen die sämmtlichen nun von Ihnen herausgegebenen Episoden gelesen u. wiedergelesen, und was mir bei der ersten noch irgend zweifelhaft geblieben ist auf den einliegenden Bogen genau angemerkt. Es wird mir sehr lieb seyn, wenn Sie mir darüber gelegentlich einige gütige Aufklärung geben wollen. Ich bitte Sie aber ja, meine Bemerkungen, auch wo sie scheinbare Einwendungen gegen Ihre Uebersetzung oder Erklärung enthalten, nur als Zweifel anzusehen, die mir aus Mangel an Kenntniß u. Uebung geblieben sind. Ich habe schlechterdings Alles aufgezeichnet, wo ich auch nur das leiseste Bedenken grammatischer, oder anderer Art hatte, und wenn ich über diese Punkte belehrt bin, so ist mir in diesem Stück, dem es doch nicht an schwierigen Stellen fehlt, Alles klar. Ueber die zweite Episode habe ich ähnliche Bemerkungen gemacht, nur kann ich sie nicht beilegen, weil ich nicht damit zu Ende bin. Bloß ein Paar Stellen werden Ew. Wohlgeboren finden, wo ich mir wirklich Einwendungen gegen Ihre Erklärungsweise erlaubt habe. Ich reise auch morgen von hier ab, halte mich aber noch unter wegs auf, so daß ich erst am Ende des Monats in Berlin eintreffen werde. Da Sie eine Reise vornehmen wollten, weiß ich nicht, ob ich das Vergnügen haben werde, Sie noch zu finden, doch schmeichle ich mir mit dieser angenehmen Hoffnung. Sie haben wohl dann die Güte, mich recht bald in Tegel zu besuchen. – Ich habe einen Brief von Schlegel aus Bonn gehabt, der folgende Stelle enthält, die Sie betrift: |"|Mit Herrn Bopps Beurtheilung in den Gött. Anzeigen habe ich Ursach sehr zufrieden zu seyn, nur kann ich ihm schwerlich zugeben, daß in dem Hemistichium  Sankskrit {sukhaduḥ}  Sankskrit {khamabhavo}  Sankskrit {bhāvo} vor dem letzten Worte ein a privat. ausgefallen sey, u. daß die beiden letzten Wörter als für sich bestehende Begriffe einander entgegengesetzt seyen. Dies scheint mir die verschiedene Quanti- |2*| tät nicht zu erlauben. So eben empfange ich zu meiner großen Freude Herrn Bopps Episoden aus dem M. Bh. Der Berliner Guß ist ja recht schön ausgefallen. Das ist nun also der zweite Sanskrit Text, den wir Deutsche binnen Jahresfrist ans Licht fördern. In England sind zwischen dem Hitop. u. dem jetzt zur Erscheinung bald fertigen Gesetzbuch des Manus 14 Jahre verflossen." – Ich habe die Bhag. Gîta nicht hier u. erinnere mich nicht, was ich über die obige Stelle, als Sie mir Ihre Anzeige mitzutheilen die Güte hatten, für eine Ansicht hatte. Ich begreife indeß nicht, wie die Quantitaet sich durch Ihre Erklärung verändern sollte. Sie scheint mir dieselbe zu bleiben bei beiden Erklärungen. Soeben sehe ich erst, daß Sie vermuthlich das letzte Wort mit einem kurzen a in der ersten Silbe lesen wollen. – Leben Sie herzlich wohl. Ich freue mich ungemein Ew. Wohlgeboren bald selbst zu sehen.

Mit hochachtungsvollster Freundschaft. Ihr
Humboldt.
|3*–4* vacat|

Über diesen Brief

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Antwort auf
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Folgebrief
-

Quellen

Handschrift
  • Grundlage der Edition: Krakau, Biblioteka Jagiellońska, 94 Briefe von H. v. Humboldt an F. Bopp, Autographen-Sammlung, Humboldt, aus der ehem. Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin, gegenwärtig in der Jagiellonen-Bibliothek Krakau, Nr. 24. – Druckkoll.: Jena, ThULB, Nachlass Leitzmann, Inv.-Nr. 92
Druck
  • Lefmann 1897, S. 39f.
Nachweis
  • Mattson 1980, Nr. 7413
Zitierhinweis

Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 15.08.1824. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/138

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