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  3. Nr. 161

Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 10.11.1828

|1*| Ich danke Ihnen herzlich, liebster Freund, für die gütige Mittheilung u. die noch gütigere Erwähnung meines Aufsatzes.

Ich finde Ihre Darstellung sehr gut. Sie sagen den Hauptgrund deutlich, daß das der Verstand durch das Auge gleich das Sprachelement sehen, die Abtheilungen nach dem festen Gesetz der Sprachabtheilung gemacht wissen will, u. sich dagegen sträubt bald in einer Zeile lauter einzeln stehende Wörter, u. bald in einer nur scheinbar Eines zu finden. Hernach haben Sie die Einwürfe sehr gut widerlegt.

Wollten Sie aber nicht die Stelle ein wenig modificiren, wo Sie sagen, daß alle Chinesische Wörter einsylbig sind? Das ist doch genau genommen nicht der Fall.

Mir scheint raucus kein guter Ausdruck für dumpf. Ich würde litterae surdae u. sonantes sagen.[a] Sonus surdus wird in Forcellini[b] durch sonus mutus, durus et insuavis erklärt. Sonans ist hell, dem entgegengesetzt. Vielleicht wäre sonax noch besser, doch scheint es mir affectirt.

|2*| Es geht mit der Wortabtheilung gewiß durch, da Sie, bester Freund, dabei beharren. Einige werden sehr scheuen, aber die meisten der jüngeren wenigstens u. der an neu an|?| Kommenden folgen.

Gegen das Ende sagen Sie: der Grund der Verbindung da, wo Vocale zusammenfließen, läge in linguae ingenio, u. die Theilung sey da schwierig. Ich finde das nicht. Allerdings gehen für den Ton die Wörter zusammen. Das thun sie aber auch in den andern Fällen. Man soll aber aber |sic| nicht die Abtheilung im Schreiben für den Ton, sondern für den Verstand machen. Dem Zusammenfließen kommt die Elision sehr nahe, u. da schiebt man in Lateinischer u. Französischer Poesie nur die Wörter zusammen.

Leben Sie herzlich wohl! Ihr
H.
10. Nov. 1828.
|3*–4* vacat|

Anmerkungen

    1. a |Editor| Anscheinend diskutiert Humboldt hier eine Stelle (S. 36) der lateinischen Übersetzung des Lehrgebäudes, das 1829 unter dem Titel Grammatica critica linguae Sanscritae erscheinen sollte. [FZ]
    2. b |Editor| Damit ist die Erstauflage von Egidio Forcinelli (1771): Totius Latinitatis lexicon, consilio et cura Jacobi Facciolati opera et studio Aegidii Forcellini, lucubratum, Padua: Typis Seminarii (4 Bände) gemeint, die Humboldt selbst besaß: siehe Bücherverzeichnis in Tegel (AST, Archivmappe 75, M. 4, Bl. 15r, Nr. 220). [FZ]

    Über diesen Brief

    Eigenhändig
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    Quellen

    Handschrift
    • Grundlage der Edition: Krakau, Biblioteka Jagiellońska, 94 Briefe von H. v. Humboldt an F. Bopp, Autographen-Sammlung, Humboldt, aus der ehem. Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin, gegenwärtig in der Jagiellonen-Bibliothek Krakau, Nr. 45. – Druckkoll.: Jena, ThULB, Nachlass Leitzmann, Inv.-Nr. 92
    Druck
    • Lefmann 1897, S. 62f.
    Nachweis
    • Mattson 1980, Nr. 7936
    Zitierhinweis

    Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 10.11.1828. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/161

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