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Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 28.10.1834

|1*| Es hat mir unendliche Freude gemacht, daß Sie, theuerster Freund, mir gleich nach Ihrer Zurückkunft ein so liebevolles Zeichen Ihres freundschaftlichen Andenkens gegeben haben. Ebenso sehr als hierfür danke ich Ihnen für die gütige Theilnahme an meiner Gesundheit. Mir ist die Zeitungs-Nachricht über meine Krankheit gänzlich unbekannt geblieben. Ich war eigentlich nie bettlägerig, aber sehr unangenehm an Schlaf- und Appetitlosigkeit und Nervenerregung leidend. Jetzt aber fühle ich mich davon wieder frei, und muß nur noch vorsichtige Diät und einige Mittel fortgebrauchen.

Windischmanns Recension , für die ich Ihnen sehr danke, habe ich sogleich gelesen, und sie hat die günstige Meinung über ihn bei mir bestätigt. Ein sehr frühes ausgebreitetes Wissen und eine mit richtigem Tact verbundene große Lebendigkeit in Auffindung auch sehr entfernt liegender Vergleichungspunkte scheinen mir ihn vorzüglich zu characterisiren. Daß er Ihrer nicht mehr und nicht anders bei einem Gegenstande gedenkt, über den Sie mit so wenigen Hülfs-Mitteln |2*| so Bewunderungswürdiges geleistet haben, ist nicht recht. Vielleicht durfte er aber vor Schlegel nicht weiter gehen. Ihre Recension über Windischmann hat mir während Ihrer Abwesenheit große Freude gemacht. Die Bemerkung über den Potentialis kannte ich schon aus Ihren mündlichen Mittheilungen aus der Zeit, an die ich mich so gern und so dankbar erinnere, als Sie die Güte hatten, mir Unterricht zu geben und wir den Hitopadeśa zusammen lasen. Denken Sie doch ja bald an die Beurtheilung von Lepsius Paläographie. Es kommen in dem Buche so viele gewagte und doch vielleicht nicht ungegründete Behauptungen vor, daß es höchst wichtig wäre, daß eine bedeutende Autorität ihr Urtheil darüber ausspräche.

Ueber Wahls Nachfolger ist noch immer nicht entschieden. Gesenius beschützt beim Minister sehr dringend, einen mir bisher ganz unbekannten Mann Namens Roediger in Halle selbst. Er ist der Corrector von Freytags Wörterbuch und soll (unter uns gesagt) nicht sowohl die Correcturbogen als die Handschrift selbst von vielen kleinen Unrichtigkeiten gesäubert haben. Ich glaube indeß doch, daß Rosen dahin berufen werden wird, und fürchte nur, eine neue Schmälerung des Gehalts.

Graff hatte mich dringend ersucht, das erste Heft seines Sprachschatzes anzuzeigen. Ich kann mich aber dieser Unterbrechung meiner |3*| eigenen Arbeiten nicht unterziehen.

Meine Einleitung rückt zwar alle Tage vor, allein immer nur viel weniger, als ich wünschte. Zu einigen Abschnitten habe ich langer Vorarbeiten bedurft. So über die Barmanische Sprache, die es doch zu intereßant war, auf der einen Seite mit dem Sanskrit, auf der andern mit dem Chinesischen zu vergleichen.

Leben Sie herzlich wohl und erhalten Sie mir Ihre gütige Freundschaft und Theilnahme.
| Handschrift wvh| Humboldt
| Handschrift Schreiber| Tegel den 28t. October 1834.
An
Herrn Professor Bopp Wohlgeboren in Berlin


|4*|
An
Herrn Professor Bopp
Wohlgeboren
in
Berlin

Über diesen Brief

Schreiberschrift mit eigenhändiger Unterschrift
Schreibort
Antwort auf
-
Folgebrief
-

Quellen

Handschrift
  • Grundlage der Edition: Krakau, Biblioteka Jagiellońska, 94 Briefe von H. v. Humboldt an F. Bopp, Autographen-Sammlung, Humboldt, aus der ehem. Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin, gegenwärtig in der Jagiellonen-Bibliothek Krakau, Nr. 90. – Druckkoll.: Jena, ThULB, Nachlass Leitzmann, Inv.-Nr. 92
Druck
  • Lefmann 1897, S. 99
Nachweis
  • Mattson 1980, Nr. 8601
Zitierhinweis

Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 28.10.1834. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/209

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