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Ignaz von Olfers an Wilhelm von Humboldt, 12.03.1822

|142r| Lissabon den 12. März 1822.
Ew. Excellenz

hatte ich die Ehre, durch meinen Brief vom 26. Jan. d. J. von einigen auf der hiesigen öffentlichen Bibliothek befindliche Sprachlehren und *** Katechismen Amerikanischer Sprachen Nachricht zu geben. Ich habe seitdem meine Nachforschungen fortgesetzt, und noch Mehreres gefunden, unter andern auch den Katechismus des Paters Mamiani, dessen im Imprimatur seiner Sprachlehre Erwähnung geschieht: der vollständige Titel ist

Catecismo da Doutrina Christãa na lingoa Brasilica da Naçam Kiriri composto pelo P. Luiz Vicencio Mamiani da Comp. de Jesus, Missionario de provincià do Brasil. Lisb. na officina de Miguel Deslandes, Impressor de S. M. anno de 1698. 8°° min. 236 Seiten.

Voran stehen Gesänge vom Namen Jesu, von der h. Jungfrau, vom Sacrament, in Kiriri und Spanisch, und das Stabat Mater in Kiriri und Latein. Letzteres füge ich hier der Sonderbarkeit wegen bey. – Ein zu Ende des Katechismus befindliches Verzeichniß von Alters- Geschlechts- und Verwandtschafts-Namen enthält 54 verschiedene Wörter.

Noch findet sich auf der Bibliothek ein Katechismus eines andren Dialectes derselben Sprache, nämlich des Dzubucua-Dialects, verfaßt von einem französischen Capuziner:

|142v|  Katecismo |sic| Indico da lingua Kariris accrescentado de varias praticas doutrinaes e moraes adaptadas ao genio e capacidade dos Indios do Brasil: pelo Pe Bernardo de Nantes, Capuchinho Pregador e Missionario Apostolico: offerecido ao M. A. e. m. p. R. de Portugal D. João V. S. N. q. D. G. Lisb. na officina de Valentin da Costa Deslandes Impressor de S. M. 1719. 8°°. min. 363 S.

Die Dzubucua-Horde wohnte im Innern des Landes an den Ufern des S. Francisco, über hundert Legoas von den Kippea-Kiriris entfernt: jene waren vorzugsweise Fischer, diese mehr Jäger. Der Verf. behauptet die beiden Dialecte seyen so verschieden, wie der Portugiesische und Castellanische. Zur Vergleichung beider habe ich die übereinstimmenden Stellen aus beiden Catechismen ausgezogen, und neben einander gestellt. – Vor dem Katechismus stehen zwei von dem Pater gedichtete Lieder, über die unbefleckte Empfängniß und an den h. Franciscus, Schutzpatron der Indier von Wracapa. Den Beschluß machen kurze Predigten dogmatischen und moralischen Inhalts /: praticas doutrinaes e moraes :/, welche manches Interessante für die Geschichte dieser Indier enthalten.

Unter den Handschriften der öffentlichen Bibliothek finden sich:

1. zwei Wörterbücher:

a. Vocabulario da lingua do Brazil .....

Das Übrige vom Titel ist weggeschnitten. – Mächtiger Quartband, fleißig durchgesehen und corrigirt. Die Schrift vom Ende des 16t. od. Anfang des 17t. Jahrhunderts, klein, eng, die Formen derselben wie die eines Nordländers. Zur Erklärung sind oft Lateinische und Deutsche, richtig geschriebene Wörter beigefügt.

b. Vocabulario da lingua Braşilica.

Stärkerer Quartband, weitläufiger geschrieben. – Der Schrift nach Portugiesisch, und älter als die andre. – Am Ende steht: Anheeng /: διρι :/ und: Laudate Dominum in Sanctis ejus.

Beide sind von Jesuiten verfaßt, das erstere vielleicht vom P. Hasse /: oder von ihm abgeschrieben :/, das letztere wahrscheinlich auf der Pflanzung S.a Cruz in der Nähe von Rio de Janeiro.

Das Diccionario Portuguez e Brasiliano /1795/ scheint aus keinem von diesen MSS genommen zu seyn.

|143r| 2. Alguns apontamentos la lingoa Minna. 12 Blätter. 8°°.[a]

Enthält ein kleines Wörterverzeichniß der Neger-Sprache von der Costa da Mina, und steht wahrscheinlich nur deswegen unter den Brasilianischen MSS, weil es von einem Pflanzer in Brasilien aus dem Munde eines Neger-Sklaven aufgeschrieben ist.

3. Die Übersetzung eines in der lingoa geral <vom Jesuiten Joseph de Anchieta> geschriebener Katechismus[b] ; das MSS sollte auch den Text des Originals enthalten, die Seiten dafür sind aber leer gelassen. Die Urschrift wurde ehemals im Jesuiten-Collegium zu Evora aufbewahrt. Vielleicht findet sich eine Abschrift davon im Collegium de propaganda fide zu Rom. Dorthin wurde die Übersetzung bey Gelegenheit des Processes der Seligsprechung des Verfassers geschickt.

Die Sprachlehre des P. Anchieta, gedruckt zu Coimbra 1595 habe ich noch nicht zu Gesichte bekommen. Einen dürftigen, nicht sehr correcten, Auszug hat de Laet dem Marggrav hinzugefügt, so wie ein kleines Wörterverzeichniß, welches der Jesuit Manoel de Moraes[c], <in Brasilien> gebürtig von S. Paulo, angefertigt hat. Ein Verzeichniß von Chilesischen Wörtern hat er aus den MSS des Prinzen Moritz ebenfalls mit abdrucken lassen. Doch das haben Ew. Excellenz ohne Zweifel schon längst gesehen.

Genehmigen Ew. Excellenz die Versicherung meiner tiefsten Verehrung, mit der ich die Ehre habe zu seyn
Ew. Excellenz
gehorsamst|e|r D|iene|r
Olfers.
|143v vacat|

Anmerkungen

    1. a |Editor| Vermutlich Peixoto, Antonio da Costa: Alguns apontamentos da Lingua da Minna, com as palavras Portuguezas correspondetes, em 1731 [Manuskript].
    2. b |Editor| Vgl. hierzu J. de Anchieta: Catecismo Brasílico (São Paulo: Edições Loyol 1992) ?
    3. c |Editor| Padre Manoel de Moraes (1596–1651?); s. Ronaldo Vainfas: Traição: um jesuíta a serviço do Brasil holandês processado pela Inquisição (São Paulo: Companhia das Letras 2008).
    Zitierhinweis

    Ignaz von Olfers an Wilhelm von Humboldt, 12.03.1822. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/438

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