1. Startseite
  2. Briefe
  3. Nr. 581

Franz Lieber an Wilhelm von Humboldt, 30.05.1832

 Ew. Excellenz

Nehme ich mir die Freiheit anzuzeigen, daß wir in der heutigen Sizung der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften – Sie lächeln über den gewichtigen Namen? Giebt’s doch auch Könige die kaum über mehr als eine Million Unterthanen gebieten; und am Ende sind die ersten Samenlappen der keimenden Eichel doch ebenso wichtig als das rauschende, volle Laub der festgewurzelten Eiche – einstimmig beschlossen, das Lexicon des Vaters Sebastian Rasles, am Ende des 17ten Jahrhunderts angefertigt, und jezt in der Bibliothek zu Cambridge (Massachusetts) befindlich, in den Memoiren der Academie zu drucken. Es ist das einzige Werk, so hör’ ich, das uns über die Abnaki-Sprache Auskunft giebt. Der beifolgende Probebogen wird Ihnen zeigen, wie intressant Ihnen, so hoffe ich wenigstens, der Abdruck des ganzen Manuscriptes sein wird. Ich weiß allerdings, daß Ihnen die beigesanndten Bogen selbst nur von geringem Intresse sein können, aber mir war es als sollte ich ein grade nach Hamburg segelfertiges Schiff, nicht in See gehen lassen, ohne Ihnen die erfreuliche Nachricht mitzutheilen. Ein Band unserer Memoiren war gerade fertig, indeß wurde beschlossen ihn noch zurückzuhalten, und ihm das Lexicon des Abnaki beizufügen. Wenn ich zu viel von einer so geringen Sache mache, so mögen Sie es gütigst mit dem großen Intresse, das ich an allem Sprachstudium nehme, im allgemeinen, und mit der großen Verehrung, die ich für den Namen Humboldt fühle im besondern entschuldigen.

Schon vor etwa zwei oder drei Jahren schrieb ich dem Herrn Professor Buttmann, daß sollte die Berliner Bibliothek je amerikanische Werke wünschen, man frei über mich disponiren solle, falls man keinen andern Agenten vorzöge. Ich glaube, daß was auch immer die Beweggründe deren waren, die mich mein Vaterland zu verlassen nöthigten, man nichts da-gegen haben würde, daß ich mich in einer solchen Weise nüzlich machte; und mir würde es immer eine große Freude gewähren mich der vaterländischen Wissenschaft dienlich zu beweisen, selbst in einem so indirecten Wege, als dieser sein würde. Da ich nie Antwort erhalten habe so ist der Brief vielleicht verloren gegangen, für welchen Fall ich hier wieder meine Dienste anbiete. Ja sollte man Auskunft irgend einer Art wünschen, welche man durch die Consuln nicht leicht beziehen könnte, und die ich zu geben fähig wäre, so soll man mich immer bereit finden. Ich mache diese Bemerkung besonders da Preußen diesen Augenblick ja wohl keinen diplomatischen Repräsentanten hier hat.

Mit ganz vorzüglicher Hochachtung und Ergebenheit
Euer Excellenz
Ganz ergebenster Diener
Franz Lieber
Boston den 30 Mai
1832.

Über diesen Brief

Eigenhändig
Schreibort
Antwort auf
-
Folgebrief
-

Quellen

Handschrift
  • Grundlage der Edition: Ehem. Preußische Staatsbibliothek zu Berlin, gegenwärtig in der Jagiellonen-Bibliothek Krakau, Coll. ling. fol. 58, Bl. 3–4
Druck
  • Mueller-Vollmer 1998, S. 8
Nachweis
  • Mueller-Vollmer 1993, S. 243
Zitierhinweis

Franz Lieber an Wilhelm von Humboldt, 30.05.1832. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/581

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen

Versionsgeschichte

Frühere Version des Dokuments in der archivierten Webansicht ansehen