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  3. Nr. 478

Ernst Heinrich Toelken an Wilhelm von Humboldt, 01.06.1824

|41r| Hochwohlgeborner Herr Freiherr

Ich freue mich, Ew. Excellenz endlich eine der Zeichnungen, wonach die 14te Tafel der Minutolischen Reise lithographirt worden, übersenden zu können. Leider habe ich nur diese eine, und nicht ohne Mühe wiedererhalten, indem der H. Generallieutenant sämmtliche Originale zurückgefordert hatte. Wegen der Abwesenheit des H. Rücker[a], der sich jetzt zu Leipzig befindet, konnte ich nicht ausmitteln, wo die zugehörige Zeichnung der einzelnen Säule hingerathen seyn mag. Indeß schon aus dieser einen Zeichnung ergiebt sich, wie sehr gegründet die Klagen Ew. Excellenz über die Ungenauigkeit des lithographirten Blattes waren. Allenthalben scheint das zweifelhafte Zeichen des einen Namenschildes die Gestalt  Sankskrit zu haben, und das vorletzte ist beständig  Sankskrit , welches nur durch Versehen in zwei Theile zerlegt worden. In wiefern nun dadurch |41v| meine Vermuthung, daß in diesem Schilde der Name ΦΙΛΙΠΠΟΣ enthalten seyn dürfte, gerechtfertigt werde, und ob in dem zugehörigen Schilde, worin man nach dem zwischenstehenden Vulpanser[b] einen Sohn des Philippus vermuthen möchte, eine enkomiastische Bezeichnung Alexanders als adoptirten und Geliebten des Ammon enthalten sey, stelle ich der näheren Prüfung Ew. Excellenz anheim. Die fortschreitende Aufwickelung der Papyrusrollen hat wieder ganz unerwartete hieroglyphische Compositionen und astrologische Götterwesen zu Tage gebracht, unter denen zu meiner Freude auch die widderköpfige Neīth wiederholt vorkommt. Allein ich fürchte mehr und mehr, daß die Behauptung des Varro gegründet ist, der Gebrauch des Papyrus zum Schreiben sey erst in Alexandrien erfunden (bei Plinius H.N. XIII. c. 21.[c]); und zwar soll, nach einem bei Joh. Lydus von mir gefundenen Fragment, der zweite der Ptolemäer, Philadelphus, diese Anwendung des Papyrus zuerst veranlaßt haben. In der That meldet auch Herodot nichts von dem Schreiben auf Papyrus. Rollen aus der Pharaonenzeit wird man also umsonst zu finden hoffen.

|42r| Es wird Ew. Excellenz bekannt seyn, daß Herr von Minutoli bei dem Verkauf der Papyrusrollen die beiden schönsten sich reservirte. Sie übertrafen alle andren durch Sorgfalt und, ich darf sagen, Schönheit der Zeichnung, so wie durch den Glanz der Farben. Dieser Tage erfahre ich durch seinen ältesten Sohn, der hier beim Kammergericht angestellt ist, daß der Herr General mir getreue Kopieen dieser schönen Rollen übersenden werde <wird>, die ich die Ehre haben werde, Ew. Excellenz mitzutheilen, sobald sie in meinen Händen sind. Von der gütigen Einladung Ew. Excellenz, Ihnen in Ihrer schönen Villa[d] einen Besuch zu machen, werde ich mir erlauben, an einem Mittewochennachmittag, oder vielleicht an einem Sonntage Gebrauch zu machen. Meine Vorlesungen verstatten mir nur selten eine Erholung.

Die Verzögerung dieser Antwort werden Ew. Excellenz mit Nachsicht aufnehmen, indem ich nicht gern blos Vermuthungen, sondern das entscheidende Dokument selbst übersenden wollte.

Mit ungeheuchelter Verehrung und Anhänglichkeit
Ew. Excellenz
ergebenster
E. H. Toelken
Berlin d. 1ten Jun. 1824.

Anmerkungen

    1. a |Editor| Friedrich Karl August Rücker (1773–1837), Verlagsbuchhändler, in dessen Verlag die Reise zum Tempel des Jupiter Ammon in der libyschen Wüste und nach Ober-Aegypten in den Jahren 1820 bis 1821 von Heinrich von Minutoli im Jahr 1825 erschien. [FZ]
    2. b |Editor| Fuchsgans (vulpus = Fuchs; anser = Gans) oder Nilgans.
    3. c |Editor| Plinius, Historia naturalis Buch 13, Kapitel 21. [FZ]
    4. d |Editor| Gemeint ist Schloss Tegel. [FZ]
    Zitierhinweis

    Ernst Heinrich Toelken an Wilhelm von Humboldt, 01.06.1824. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/478

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