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  3. Nr. 96

Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 17.03.1823 (Datierung unklar)

Indem ich Ew. Wohlgebohren mit großem Vergnügen die verlangten Bücher zuschicke, danke ich Ihnen recht herzlich für die in Ihrem freundschaftlichen Schreiben enthaltenen Bemerkungen. Die Vergleichung hat mich überzeugt, daß Bernstein in alle gerügte Irrthümer verfallen ist, weil er Wilkins gefolgt ist. Die Calcutter Ausgabe muß ihn wohl da auch verlassen haben, u. seine eigene grammatische Kenntniß konnte, gegen Autoritäten, wohl nicht hinreichen. Das wäre auch zu viel gefordert. Die Regeln, die ich mir aus dem von Ew. Wohlgeb. Gesagten abstrahire, u. die mir auch vorher, wenigstens dunkel vorschwebten, sind:

1., wo ganz einfach ein Endvocal mit einem Anfangsvocal zusammenfließt, entsteht ein dritter Vocal nach den bekannten Regeln, ohne Elisionszeichen.

2., wo dagegen ein Wort mit einem : oder einem durch Visarga alterirten Vocal z. B.  Sankskrit {o} schließt, ist eine Zusammenziehung undenkbar, indem dieselbe durch Unbeachtung des Visarga das Wort in eine andere grammatische Form überführen würde; ebenso wenig kann das  Sankskrit {o} mit dem folgenden  Sankskrit {a} in  Sankskrit {ava} übergehen, sondern es muß schlechterdings Elision eintreten. Das meynen wohl auch diejenigen, welche — Sankskrit {śoyaṃ} drucken. Sie lassen nur das Zeichen aus, was aber doch besser zur Deutlichkeit u. Consequenz hinzugesetzt wird.

3., was mir nun aber fehlt, ist eine sichere Regel, in welchen Fällen sonst (außer 2.,) Elision eintritt. Ich kenne nur Einen nach  Sankskrit {e} ( Wilkins Gr. p. 20. nr. 11) Aus dieser Stelle von Wilkins geht hervor, daß er das Zeichen für gleichgültig hält.

4., Wenn Elision im Compositis vorkommt ( l. c. p. 21 nr. 15) wird wohl das Elisionszeichen nie gesetzt, um so weniger als da das End- Sankskrit {a} wegfällt.

Gegen die Regel nr. 1., verstößt Wilkins öfter. So auch Ed. Lond. p. 13. l. 12  Sankskrit {sarvvathā} =  Sankskrit {tra}, wo ihm Bernstein (p. 15. l. 6. von unten) wieder gefolgt ist. Doch finde ich nichts in seiner Grammatik, was diese Schreibart rechtfertigt.

Ist Schlegel im Bhagavad Gita hierin correct?

Mit herzlicher Hochachtung
der Ihrige,
Humboldt.
17.[a]



An
Herrn Professor Bopp,
Wohlgeb.
mit 2. Büchern,[b]

Anmerkungen

    1. a |Editor| Lefmann 1897: 17. März 1823. So datiert auch Mattson.
    2. b |Editor| Durch das Aufbrechen des Siegels ist nicht zu erkennen, ob darunter noch etwas stand. Bei den Büchern handelte es sich wahrscheinlich um Hamiltons Hitopadesa-Ausgabe und Analyse, um die Bopp Humboldt zuvor gebeten hatte.
    Zitierhinweis

    Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 17.03.1823 (Datierung unklar). In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/96

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