Wilhelm von Humboldt an Friedrich August Rosen, 15.01.1830
|1*| Ich habe Ihnen noch, theuerster Freund, meinen lebhaften Dank für Ihre gütige Bemühung in Absicht des Valpyschen Thesaurus abzustatten. Ich habe Alles richtig empfangen und viel schneller als ich es hoffen dürfte. Beim Binden aber hat sich gefunden daß in den Glossarien des Labbaeus der Bogen 5. F. von Pag: 625–632 fehlt, wogegen der Bogen 5. E. doppelt ist. Es wäre sehr schön, wenn Sie mir diesen Bogen von Herrn Valpy verschaffen könnten.[a] Eigentlich ist er wohl zur Nachlieferung verpflichtet und kann mir blos allenfalls entgegensetzen, daß ich mich nicht früher deshalb gemeldet habe. Vielleicht hilft es auch, wenn Sie ihn daran erinnern, daß ich ihm mein Interesse an seinem Werke durch einen eigenen Besuch in London bewiesen habe.
Ich beschäftige mich jetzt sehr mit den Malayischen Sprachen und bin darauf durch einige Bibelübersetzungen gekommen die mir Alexander Johnston vor einiger Zeit geschickt hat. Es ist klar zu erweisen, daß die Sprache auf Madagascar nicht blos Malayische Wörter hat, sondern im Bau und Wurzeln eine ganz Malayische Sprache ist. Ich habe darüber eine Abhandlung in der Academie gelesen,[b] die ich jetzt weitläuftiger bearbeiten, und sobald sie fertig ist, nach England schicken werde. Ich bitte Sie dieß Alexander Johnston zu sagen, so viel Schmeichelhaftes Sie können, von mir hinzuzufügen, wie ich ihn denn wirklich in der Schrift nennen und rühmen werde, zugleich aber mit ihm über die folgende Angelegenheit zu sprechen. Er kennt die Wittwe eines Missionars die ein Madagascarisches Wörterbuch ihres verstorbenen Mannes besitzt, und es wäre vortrefflich, wenn ich dieß zugleich benutzen könnte. Sollte die Wittwe dies Wörterbuch herauszugeben in England Gelegenheit haben so würde<wäre> dieß das Beste, und nur die Beschleunigung zu wünschen. Sollte Sie |sic| aber keinen |2*| Verleger dazu finden, so wäre ich sehr erbötig, wenn sie mir die Handschrift anvertrauen wollte, es als Anfang zu meiner Schrift drucken zu laßen, wie ich außerdem mit einem Wörterbuch des französischen Naturforschers Chapelier das ich auch handschriftlich besitze, thun werde. Von der Pariser Bibliothek habe ich zwei gedruckte, aber ganz unerkannt gebliebene Wörterbücher in Händen. Es hat noch Niemand so viel Madagascarische Hülfsmittel benutzt, als ich in Händen habe, und dadurch, so wie durch die größere Kenntniß, die man jetzt von der Sprachen der Südsee hat, und endlich durch den Umstand, daß ich die von den Engländern ganz vernachläßigten Philippinischen-Sprachen genau studirt habe, werde ich etwas viel Vollständigeres liefern können, als die Engländer, so vortrefflich auch ihre Schriften sind, haben thun können.
Ich bitte Sie nun aber, liebster Freund, sich recht genau zu erkundigen, ob Sie mir weiter etwas von den Asiatischen-Sprachen jenseits des Ganges /: den sogenannten Indo-Chinesischen :/ verschaffen könnten. Ich besitze, die Hülfsmittel zum Malayischen abgerechnet, nichts als vom Burmanischen Carey’s Grammatik, Judson’s Lexicon und Hough’s Wortverzeichniß. Sehr wichtig wäre es auch etwas über die Sprachen der Austral-Negern, namentlich in Neu-Holland[c], zu erhalten. Ich habe blos einige Bogen von Thelkred |sic|, vielleicht sind aber seitdem Uebersetzungen von Stücken aus der Bibel erschienen.
Endlich wünschte ich, liebster Freund, daß Sie die Güte hätten, Herrn Marsden zu besuchen, ihm viel Freundliches von mir zu sagen, namentlich, was in der That mehr ist, wie vortrefflich ich sein Wörterbuch und seinen<seine> Grammatik des |3*| Malayischen finde, dann aber sich von ihm recht genau und bestimmt sagen zu laßen, ob die eingeborenen Malayien < Malayen> in ihrem eigenen Namen also im Malayischen-Worte Malāyu das y wie einen Consonanten, oder mit dem vorhergehenden a zusammen wie einen diphthongen aussprechen? Ich glaube das Erstere, und möchte doch auf dem Titel meiner Schrift keinen Fehler machen. Ist das y ein Consonant, so würde ich in |sic| Deutschen immer Malayisch ist es aber ein Vocal, Malaiisch schreiben.
Endlich wünscht Professor Bohlen in Königsberg so sehr ein Wilsonsches Sanskrit-Wörterbuch. Ich weiß, daß keins in London zu haben ist, habe es Ihnen aber doch sagen wollen für den Fall daß auf einer Auction es einmal vorkäme.
Verzeihen Sie die vielen Bitten und leben Sie recht herzlich wohl. Mit der aufrichtigsten und Hochachtungsvollsten Freundschaft.|

Humboldt
|4*| |

An
Herrn Dr. Rosen
Wohlgebohren
in
London.
|Anhang| |5*|
Über diesen Brief
Quellen
In diesem Brief
- Carey, William (1806): A Grammar of the Sungskrit language, composed from the works of the most esteemed Grammarians, to which are added examples for the exercise of the student, and a complete list of the Dhattoos or Roots, Serampore: Mission Press
- Chapelier, Louis Armand: Vocabulaire malgache – français tamatave (District nord de Malgache) [Manuskript]
- Estienne, Henri (1816–1826): Thesaurus linguae graecae, London: Valpy
- Hough, George Henry (1825): An English and Burmese vocabulary, preceded by a concise grammar, in which the Burman definitions and words are accompanied with a pronunciation in the English character; designed to extend the colloquial use of the Burman language, Serampore
- Judson, Adoniram (1826): A Dictionary of the Burmese language with explanations in English. Compiled from the ms of A. Judson and other missionaries in Burmah by J. Wade, Calcutta: Baptist Mission Press
- Kennedy, Vans (1824): A dictionary of the Maratha language, in two parts, Bombay: Courier Press
- Marsden, William (1812): A Dictionary of the Malayan language in two parts, Malayan and English and English and Malayan, London: Cox & Baylis
- Marsden, William (1812): A grammar of the Malayan language, with an introduction and praxis, London: Cox & Baylis
- Robinson, William (1823): An attempt to elucidate the principles of Malayan orthography, Fort Marlborough: The Mission Press
- Schroeter, Friedrich Christian Gotthelf (1826): A dictionary of the Bhotona, or Boutan language. Printed from a manuscript copy made by the late Rev. Frederic Christian Gotthelf Schroeter, edited by John Marshman. To which is prefixed a Grammar of the Bhotana Language, edited by W. Carey, Serampore
- Tattam, Henry (1830): A compendious grammar of the Egyptian language as contained in the Coptic and Sahidic dialects; with observations on the Bashmuric: together with alphabets and numerals in the Hieroglyphic and Enchorial characters; and a few explanatory observations: by the Rev. Henry Tattam, M.A. F.R.S.L. &c. &c. Rector of St. Cuthbert’s, Bedford. With an Appendix, consisting of the Rudiments of a Dictionary of the Ancient Egyptian language in the Enchorial character: by Thomas Young, M.D. F.R.S. H.M.R.S.L. Foreign associate of the Royal Institute of Paris, London: Arch
- Wilson, Horace Hayman (1819): A Dictionary in Sanscrit and English: translated, amended, and enlarged from an original compilation by learned natives, Calcutta: Philip Pereira
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