Wilhelm von Humboldt an Carl Friedrich Neumann, 17.01.1835
|1r| Ich muß mit Recht besorgen, daß Ew. Wohlgeboren mir wegen meines langen Stillschweigens zürnen werden, da es unverzeihlich scheint, einen Brief vom 19ten Maerz. v. J. erst heute zu beantworten. Ich kann aber mit Wahrheit versichern, daß die Schuld allein an unserm Freunde Rosen liegt. Ich erwartete von Woche zu Woche durch ihn das von Singapore für Ew. Wohlgeboren bestimmte Paket. Da es von Monat zu Monat ausblieb, schrieb ich ihm aufs neue[a], und vor wenigen Tagen erst erhielt ich endlich durch ihn die Nachricht, daß Ihr Paket längst von London direkt nach München abgegangen sei. Ich säume nunmehr keinen Augenblick Ihnen die anliegenden Bücher zu übermachen. Das eine ist das von Thomsen selbst angefertigte Bugis Wortverzeichniß. Das andere ließen Ew. Wohlgeboren mir selbst zurück. Ich nannte es bisher aus Unkunde allgemein das Evangelienbuch, es ist aber das Evangelium Johannis. Ich habe es vielfältig gebraucht und auch in meiner Schrift angeführt. Zu dem letzteren aber haben mir Ihre Pilgerfahrten noch erfreulicheren Anlaß gegeben, für welche ich Ihnen meinen wärmsten Dank abstatte. Auch Klaproth sprach mir sehr vortheilhaft über dieselben. Ich wünschte sehr die Folge davon bald erscheinen zu sehen.
|1v| Von Windischmann habe ich aus seiner lateinischen Schrift eine sehr vortheilhafte Meinung gefaßt und bin sehr begierig auf seine Armenische[b]. Ich habe mich nur sehr kurze Zeit mit dem Armenischen beschäftigt, allein auch mich sprach eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Sanskrit in Formen und Lauten an.
Was Ew. Wohlgeboren mir über Ihre Beschäftigungen und Collegia sagen, hat mich sehr intereßirt. Ich wünsche nur, daß die Orientalischen Studien nicht mögen ganz von den letzteren verdrängt werden. Gleich nach beendigtem Druck meiner Schrift werde ich mir die Freiheit nehmen, Ihnen ein Exemplar zuzusenden.[c]
Empfangen Ew. Wohlgeboren die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung. |
Humboldt
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den 17.te Januar 1835.
Anmerkungen
- a |Editor| Siehe den Brief Humboldts an Rosen vom 11. April 1834. [FZ]
- b |Editor| Damit ist wohl die erst 1846 erschienene Abhandlung mit dem Titel Die Grundlage des Armenischen im arischen Sprachstamme gemeint. [FZ]
- c |Editor| Humboldt erlebte das Erscheinen der Kawi-Einleitung nicht mehr, er starb bereits am 8. April 1835. [FZ]
Über diesen Brief
Quellen
In diesem Brief
- Humboldt, Wilhelm von (1836): Über die Kawi-Sprache auf der Insel Java, nebst einer Einleitung über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts. In: Abhandlungen der Königlichen Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin aus dem Jahre 1832, Zweiter Theil
- Neumann, Carl Friedrich (1833): Pilgerfahrten Buddhistischer Priester aus China nach Indien. In: Zeitschrift für die historische Theologie, Dritten Bandes Zweites Stück, S. 114–177 [auch als Sonderdruck]
- Thomsen, Claudius Henry (1833): A Vocabulary of the English, Bugis and Malay languages, containing about 2000 words, Singapore: Mission Press
- Windischmann, Friedrich Heinrich Hugo (1833): Sancara sive de theologumensis vedanticorum, Bonn: Georg
- Windischmann, Friedrich Heinrich Hugo (1846): Die Grundlage des Armenischen im arischen Sprachstamme. In: Abhandlungen der Philosophisch-philolog. Classe der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Vierter Band, Abtheilung II, S. 1–49 [auch als Sonderdruck 1846]
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