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  3. Nr. 260

Franz Bopp an Wilhelm von Humboldt, 05.12.1827

|41r| Excellenz

Ich kann mich von der Ansicht das germanische schwache Praet als eine Verbindung mit thun  darzuzustellen<darzustellen> nicht lossagen. In meinem Conjugations System wo ich zuerst diesen Gegenstand in Anregung gebracht habe, erkannte ich blos in dem Goth. Plur. wie sokidêdum das Hülfszeitwort, seit der Erscheinung von Grimms Gramm. stimme ich diesem gerne bei, auch den Singular und das Praet der übrigen Dialekte aus gleicher Verbindung in verstümmelter Gestalt, entspringen zu lassen|.| Von Grimm aber muß ich jetzt in so fern abweichen als ich <in meiner Recension> das Partic. pass. wie sokiths von dem Praet. ganz unabhängig mache. Die scheinbare Aehnlichkeit des letzteren mit dem Persischen einfacher<einfach> scheinenden Praet. halte ich für zufällig. Denn wenn man auch das germanische schwache Praet. von dem Part. pass ableitete, welches wie im Sanskrit |41v| nur bei Verb. neut. aktive Bedeutung hat: so würde es doch dem Persischen nicht ganz gleich gebildet seyn wenn ich darin Recht habe, was Ew Excellenz mir zugeben, daß z.B. berdeh em < berdem> durch Zusammenziehung von berdeh em ich bin getragen habend entstanden. In dem germanischen Praet. kann man auf keine Weise das < Praes des> verb. substant. erkennen. Es hat in der ersten u. 3. Person die Endung a wie das Indische reduplic. Praet. Die Aehnlichkeit des * unseres schwachen und des persischen Praet gründe ich blos darauf daß die Zuthat beider mit einem T-Laut anfängt, dies hindert aber nicht wie mir scheint, daß der deutsche T-Laut einem Hülfsverbum, der persische einem Participialsuffix angehört<angehören> könne. Die Suffixe  Sankskrit {tum} und  Sankskrit {ta} haben vielleicht<schwerlich> im Sanskrit keinen<einen> etymolog. Zusammenhang, wenigstens läßt sich keiner nachweisen; dem ohngeachtet gründet sich auf den gleichen Anfangsbuchstaben, womit die ensprechenden Suffixe auch im Persischen anfangen, die Erscheinung, daß hier Infinitiv, Partic. und Praet. äußerlich in der strengsten Analogie zusammen stehen, so daß man von einem mit Sicherheit auf das andere schließen kann wie man in der gothischen schwachen Conj. vom Part. pass. auf das Praet. act schließen kann, und umgekehrt.

|42r| Zu der Ansicht, welche <ich> hier auszusprechen mir erlaubt habe, habe ich mich auch im Verban bei der weiteren Entwickelung in meiner  Reens. |sic| entschieden. Der Zweifel, welchen Ew Excellenz dagegen erheben, und der für mich von größtem Gewicht ist, wird mich jedoch veranlassen, nach meinen Kräften diesem Gegenstand in der Folge noch reiflicher zu erwägen. Ich kann in sprachwissenschaftlichen Gegenständen nicht anders als das größte Mißtrauen gegen die Resultate meiner Untersuchungen hegen wenn sie dem besonnenen und tiefeindringenden Urtheil Ew Excellenz nicht Genüge leisten.

Von Guna oder ähnlichem Vocalwechsel habe ich im Persischen keine Spur gefunden.

In tiefster Ehrerbietung
Ew Excellenz
ganz gehorsamster
Bopp.
5 Dec. 27
|42v vacat|
Zitierhinweis

Franz Bopp an Wilhelm von Humboldt, 05.12.1827. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/260

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