Ernst Heinrich Toelken an Wilhelm von Humboldt, 01.06.1824
Ich freue mich, Ew. Excellenz endlich eine der Zeichnungen, wonach die 14te Tafel der Minutolischen
Reise lithographirt worden, übersenden zu können. Leider habe ich
nur diese eine, und nicht ohne Mühe wiedererhalten, indem der H. Generallieutenant sämmtliche Originale
zurückgefordert hatte. Wegen der Abwesenheit des H.
Rücker[a],
der sich jetzt zu Leipzig befindet, konnte
ich nicht ausmitteln, wo die zugehörige Zeichnung der einzelnen Säule
hingerathen seyn mag. Indeß schon aus dieser einen Zeichnung ergiebt sich, wie
sehr gegründet die Klagen Ew. Excellenz über die Ungenauigkeit des
lithographirten Blattes waren. Allenthalben scheint das zweifelhafte Zeichen des
einen Namenschildes die Gestalt zu haben, und das vorletzte
ist beständig
, welches
nur durch Versehen in zwei Theile zerlegt worden. In wiefern nun dadurch |41v| meine Vermuthung, daß in diesem Schilde der Name ΦΙΛΙΠΠΟΣ enthalten seyn dürfte, gerechtfertigt
werde, und ob in dem zugehörigen Schilde, worin man nach dem zwischenstehenden
Vulpanser[b] einen Sohn des Philippus
vermuthen möchte, eine enkomiastische Bezeichnung Alexanders als adoptirten und Geliebten des Ammon enthalten sey,
stelle ich der näheren Prüfung Ew. Excellenz anheim. Die fortschreitende
Aufwickelung der Papyrusrollen hat wieder ganz unerwartete hieroglyphische
Compositionen und astrologische Götterwesen zu Tage gebracht, unter denen zu
meiner Freude auch die widderköpfige Neīth wiederholt vorkommt. Allein ich
fürchte mehr und mehr, daß die Behauptung des
Varro gegründet ist, der Gebrauch des
Papyrus zum Schreiben sey erst in
Alexandrien erfunden (bei
Plinius H.N. XIII. c. 21.[c]);
und zwar soll, nach einem bei
Joh. Lydus von mir gefundenen Fragment, der zweite der
Ptolemäer, Philadelphus, diese Anwendung des Papyrus zuerst veranlaßt haben. In
der That meldet auch Herodot nichts von dem
Schreiben auf Papyrus. Rollen aus der Pharaonenzeit wird man also umsonst zu
finden hoffen.
|42r| Es wird Ew. Excellenz bekannt seyn, daß Herr von Minutoli bei dem Verkauf der Papyrusrollen die beiden schönsten sich reservirte. Sie übertrafen alle andren durch Sorgfalt und, ich darf sagen, Schönheit der Zeichnung, so wie durch den Glanz der Farben. Dieser Tage erfahre ich durch seinen ältesten Sohn, der hier beim Kammergericht angestellt ist, daß der Herr General mir getreue Kopieen dieser schönen Rollen übersenden werde <wird>, die ich die Ehre haben werde, Ew. Excellenz mitzutheilen, sobald sie in meinen Händen sind. Von der gütigen Einladung Ew. Excellenz, Ihnen in Ihrer schönen Villa[d] einen Besuch zu machen, werde ich mir erlauben, an einem Mittewochennachmittag, oder vielleicht an einem Sonntage Gebrauch zu machen. Meine Vorlesungen verstatten mir nur selten eine Erholung.
Die Verzögerung dieser Antwort werden Ew. Excellenz mit Nachsicht aufnehmen, indem ich nicht gern blos Vermuthungen, sondern das entscheidende Dokument selbst übersenden wollte.
Mit ungeheuchelter Verehrung und AnhänglichkeitEw. Excellenz
ergebenster
E. H. Toelken
Berlin d. 1ten Jun. 1824.
Anmerkungen
- a |Editor| Friedrich Karl August Rücker (1773–1837), Verlagsbuchhändler, in dessen Verlag die Reise zum Tempel des Jupiter Ammon in der libyschen Wüste und nach Ober-Aegypten in den Jahren 1820 bis 1821 von Heinrich von Minutoli im Jahr 1825 erschien. [FZ]
- b |Editor| Fuchsgans (vulpus = Fuchs; anser = Gans) oder Nilgans.
- c |Editor| Plinius, Historia naturalis Buch 13, Kapitel 21. [FZ]
- d |Editor| Gemeint ist Schloss Tegel. [FZ]
Über diesen Brief
Quellen
In diesem Brief
Zitierhinweis
Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen Frühere Version des Dokuments in der archivierten Webansicht ansehenDownload
Versionsgeschichte