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  3. Nr. 620

Christian Gottlieb Reichard an Wilhelm von Humboldt, vermutlich Mitte/Ende Juni 1821

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Regest

Hochwohlgebohrner, Höchstzuverehrender Herr, Drey Tage nach Abgang meines Briefes langte Ihre Schrift bey mir an …

Wohl aus Lobenstein. Reichard teilt mit, dass er drei Tage nach Abgang seines letzten Briefes die erwartete Schrift erhalten habe. Er gibt eine lange Erklärung zu den im Anhang folgenden 13 Seiten mit "Altgeograph. Bemerkungen" zu Humboldts Prüfung der Untersuchungen über die Urbewohner Hispaniens vermittelst der Vaskischen Sprache.



|Anhang|

|140r; S. 1| Altgeograph. Bemerkungen zu H. v. Humboldt Prüfung pp

p. 6. mit 66.[e]
Tartessus. Daß der Baetis Tartessus geheissen, ist eine Grille der alten Geographen, die sich überhaupt in solche Discussionen nicht recht schicken konnten. Meine Note im Texte zu Spanien unter Carteja n. 3. wird hinreichende Auskunft geben. Strabo war der treuherzige Verbreiter dieser Idee, sonst wäre sie wohl nicht so verbreitet <gäng u. gäbe> worden. Er entschuldigt sich zwar mit seinem φασὶν, allein ich glaube eher, daß er seine Nachrichten falsch verstanden hat; denn lange vor ihm hatte ja schon Scymnus dieses das Rechte gewußt.

p. 20.
Rhegina Ptol. ist das Regiana des It. Ant. Wess. p. 415.

p. 21. not. 22.
Agla Minor. Den Anhang minor wüßte ich für nichts anders zu erklären, als latein. Zusatz; es muß ein major doch dagewesen seyn, das keiner weiter sonst nennt. Doch Ihnen gehört die Competenz in der Sprachforschung, darinnen ich nicht einmal Dilettant bin.

p. 22.
Caviclum. Cavidum hat nur der Neap. u. Longo. Codex des Itinerars, welche in Namen u. Zahlen meiner Erforschung zu folge die unzuverlässigsten sind. Da der neuere Namen das l beybehalten hat, so zweifle ich an der größeren Richtigkeit des erstern, Caviclum, nicht. Dem Abschreiber ist das d leicht für cl versehen.

MergablumMercallum. Die verschiedenen alten Thürme an dasiger Küste, die so nahe bey einander liegen, als Torre de Atalaya, Blanca, de Roca, del Puerto lassen mir entschiedene Wahl, ohnerachtet des gegebenen Maases nicht bestimmt zu, daher es in meinem Text nicht aufgenommen ist. Daß es aber rein celtischer Namen sey, schließe ich daraus, daß es in Gallien auch ein Marcolles (auch Marcoules oder Marceules genannt) im Dpt. Cantal giebt, das unstreitig Mercallum geheissen haben muß, ohnerachtet es bey den Alten nicht vorkommt. Noch ein Marcillac oder Marsillas giebt es im Dpt. l’Aveiron, das indessen auch Marcellum geheißen haben kann. Ferner Mercadal auf Menorca das eher hieher gehört. Und Charquinez in Alava.

|140v; S. 2| p. 24.
Astapa. Auch in Portugal ist ein jetziges Astapas im Correiçâo de Thomas Prvz. Cotremadera, nördl. vom Tajo.

Ascerris. Sollte der Flecken Assinceira in demselben Correiçâo n|ich|t <auch> Ascerris geheißen haben?

Ascua. In den gewöhnl. Ausgaben des Livius steht Asena. Mir scheint es der bedeutende Ort Escalona an der Alberche zu seyn. Es hat ein uraltes Castell.

p. 25.
Urium. Schon lange bey meinem ersten Entwurf dachte ich Urium des Ptol. u. Pl. in Torre de Oro zu finden, nur der Umstand hielt mich zurück, daß ich Plins |sic| Worte Interfluentes, Luxia & Urium nach Harduin[f] für Flüsse hielt, u. die Endung mancher Flüsse in um nicht ohne Beyspiel ist. Jezt bin ich aber durch Ihre richtigere Bemerkung davon zurückgekommen, finde Luxia in Lucena u. Urium (vergl. Templum Iovis Urii am Bosporus) in Torre de Oro. Plinius hat also die Reihe nach einander hie sehr richtig eingehalten, was die Richtigkeit dieser Auslegung erhöhen muß, Luxia hat aber sehr wahrscheinlich auch der Fluß geheißen, denn er hat außer dem Namen Titelo auch den Namen Ucige.

|Einschub von Bl. 145r| <Zu p. 25. Urium.
Daß Interfluentes sich auf die vom Otiel[g] u. Tinto gebildete Landzunge beziehe, ist augenscheinl., mir jedoch n|ich|t wahrscheinl. daß es eine Stadt oder Ort gemeint sey. Wäre es würkl. eine, so müßte es Huelva seyn, worauf aber das Maas des Itin. mit Onoba fällt, welches wohl gar auch den Namen Interfl. gehabt. In der Regel muß bey der Graphik jeder andre Grund den zutreffenden Maaßen weichen, und hier ist an den Maaßen, von Onoba nach ad Rubras rechts links u. Ilipa rechts keine nicht die mindeste Ausstellung zu machen. Vielleicht ist auch nur eine Schanze an der untersten Spitze, als Hafen oder Vorstadt von Onoba, mit dem Namen Interfl. da gewesen. Dem sey allem wie ihm wolle; genug, Sie haben mit Ihrer scharfsinnigen Bemerkung auch mir eine richtigere Ansicht verschaft.>

|140v| p. 28. <26.>
Calagurris. Das dritte Calagurris in Aquit. ist außer Simler u. Wess. p. 457. von keinem Geographen weiter angetastet worden. Man sieht hier, wie überall, welches Stückwerk immer geliefert worden. Daß dieses Parros sey, ist mir auch dad|urc|h gewiß, weil der in Wess. Note vorkommende Vigilantius aus dem Thale der Convenae gebürtig gewesen; das obere Thal der Paronne war aber das Thal der Convenae. S. mein Gallien[h]; Note im Text.

p. 28.
Lancobriga des Ptol. der Celtici glaube ich in Landeira (Ib) zu finden. Das Langobrica des It. Ant. p. 423. ist ein anderes.

p. 30.
Urgao. Die Sylbe Urg u. Virg ist gänzl. einerley und wohl auch Verg. Denn Plin. schreibt Virgao; quae Alba u. die Inscr. Urgao Alba. Dann Ptol. Vergilia u. Plin. nebst den Inscr. Virgilia. Murgis, It. Ant. u. Ptol. Plin. und Virgis, Mela. Urgitanus (Sinus) Plin. Virgitanus, Mela.

|141r; S. 3| p. 32.
Illurco. Ist wohl Illara, was die Zusammenstellung der Orte von Plin. giebt. Illarcum zeigt schon das It. Ant. als <in> Eliocroca als Lorca v. Wess. 401.

p. 33.
Solorius Mons. Plin. Ganz unzweifelhaft die Sierra Solorio, nach älterer Benennung Saloria, auf der vorzüglichsten Wasserscheide Spaniens. Deswegen ist sie dem Plin. merkwürdig. Die Sierra de Vertientes ist mir unbekannt. Wo mag sie liegen?

p. 35.
Turmodigi. Sollte der Namen des Flusses Tormes (Regne Salamanca) nicht denselben etymol. Ursprung haben? An ihm liegt der Ort Alba de Tormes. Nur fragt s. ob dieser Strich unter den Ann. Convent gehört habe, welches ich kaum glauben kann. Leider führt Pl. Salamanca, das nicht weit davon ist, nicht an.

Ucultuniacum, quae Turiga nunc est, Plin. So steht im Codx Salmant. der Toletan. hat Icuriga u. Ptol. Curiga. Pintianus heißt im Ptol. Acuriga u. Mannert schreibt Curiga aus Ptol. das It. Ant. hat aber Curica u. so ist wohl kein Zweifel mehr, daß der Toletan. Codx die richtigere Lesart habe. <Curiga oder Curica wird nun wohl ebenfalls Vaskisch seyn.>

p. 39.
Aracillum, Flor. habe ich in Aguillar gefunden, was mit der Expedition des August[i] völlig übereinkommt.

Artigi. Der Ort, welchen ich in meinem Texte (Astigi das 2te) für verschrieben u. eigentl.

p. 41.
Bilbilis. Mir scheint es Mauritan. Ursprungs zu seyn. Dort gab es ein: Igilgilis (Colonie); Zilis; Sitigi; Gilda; Sicilibra; Tingis; Tatildis; Tigisis; Bidil; Tibigis; Tigis u.s.w. Hier ist i und il durchaus herrschend, u. zu auffallend, als daß man nicht vermuthen sollte, die Mauritanier hätten schon vor Erbauung Cartagos Wanderungen nach Spanien vorgenommen und Besitzungen das. gehabt. Es müßten dann diese Wortlaute Phöniz. seyn, welche Sprache ich nicht kenne. Noch jetzt ist das i in der Berberey sehr vorherrschend.

p. 43.
Curgonii. Ich besitze keine Ausgabe des Florus, die Curgonii hätte; statt davon lese ich Aurrigones <Auprigones>, welche die Autrigones sind.

|141v; S. 4| p. 44.
Edu*ius <Edulius> mons. Das ist kein andrer als der Mt. Perdu, der auch eine so besondere u. isolirte Gestalt nach Spanien hinein hat, daß sie den Römern bemerkl. werden mußte. Sollte nicht auch die Sylbe du von Edulius herrühren? Von Perdu verloren, so scheinbar das ist kann ich mich nicht überreden. Auch in der Bildung solcher alten Namen glaube ich die <frühe> Neigung der frühern Franzosen zum Wortspiel zu finden.

p.
Egurri. Nach Plin. Cigurrivar. lect. Giguri. Das ist das Forum des It. Ant. das Forum Egurrorum var. l. Gigurrorum des Ptol. (Wess. p. 428.) <S. m. Text.>

Hieher möchte wohl auch Noega Ucesia gehören (Ae. m. K.) mit der Endsylbe des ersten Wortes, ega, wenn No-ega gelesen wird, was mir noch zweifelhaft ist, da Strabo Νοῖγα schreibt. Und so <Es> möchte <auch> das heutige Wort Gijon eher von Noiga als Ucesia herkommen.

p. 47.
Lavara. Muß Lavradio seyn. So schreiben die Neuren; die ältern Lauradio, der Sylbe lau ähnlicher. Es folgt fragt s. nun, liegt Lauradio eben? Der Befehl des vorigen Königs von 1785. alle Weinstöcke am Tajo, Mondego u. Vouga auszurotten, wovon Lauradio unter andern verschont bleiben sollte, läßt mich vermuthen, daß es das Anhöhen hat, u. Ptol. setzt sein Lavara an den Durius, was mich <beydes> stutzig macht. Ist jedoch Lauradio an oder in einer Ebene, so hat Ptol. das gewöhnl. gethan d. i. schlechte Graphik verrathen.

Lissa des Ptol. halte ich für Cissa des Polyb. u. Scissis des Liv. (Accus. Scissim) wenn es Ptol. gleich unter die Jaccetaner stellt, aus denen man immer nicht weiß, was man machen soll. Mannert hält sie geschwinde weg für die Lacetaner, weil sie Ptl. an deren Ort setzt. Ich kann sie für nichts anders, als für das Volk halten, deren Hauptort Jacca war, denn Strabo läßt sie ja an die Vasconer unmittelbar gränzen. In so fern hätte sie also Ptol. mit den Lacetanern verwechselt, so wenig man ihm auch sonst über Vertheilung der Ortschaften unter die Völker vorwerfen kann, fast dem einzigen Guten, was an ihm ist. Dieser Ort gehörte nun zu den Ilergeten, so wie das ihm nahe Athanagia des Liv. (Woher dieser Namen?)

|142r; S. 5| Lobetum. Ist bey mir jezt Lobos u. so mit weit besser gestellt als zu vor.

p. 48.
Moron. Sie haben es getroffen, aus welchem Grunde ich es an den Anas stelle. In der Revision habe ich derselben ausgesprochen. S. den jetzigen Text. In den ältern Karten u. Nachrichten heißt dieser Ort Moraõ u. das Portug. (a-ung, a-ong) ist ja das on andrer Sprachen. Da erscheint der ganz unverirrbare Namen.

p. 54.
Basi Ptl. Sollte Bassi eine Variante statt Bussi seyn? Bussi ist mir S. Juan de Bussols.

p. 56.
Elimberrum. Peut. Taf. u. Mela. Wess. der behauptet, jene hätte Cliberre, hat falsch gesehen, es ist ein deutl. kleines e. Das It. Ant. Climberrum. Die übrigen alle Ausci. Ich überzeuge mich aber d|urc|h Ihren mir vorher entgangenen Grund, daß Eliberris die wahre Benennung ist

p. 66.
Baetula. So steht im Polyb. (X. 35 n|ich|t 38.) aber im Liv. zweymal Baecula XXVII. 20. u. XXVIII. 13. u. dieß ist Baylen, wo auch Ruinen sind. Es ist Daß beyde Autoren einerley Stadt meinen, sieht man aus der Beschreibung des Zuges, u. Lagers von dem Orte. Baebro des Plin. ist es nicht. Von diesem finde ich in der Leidener Ausgabe <v. ad 8 f.> (die ich erst kurz vor der Revision bekam) die Variante: Ubeda. Sollte dieses gegründet seyn, so wäre das <es im> heutige<n> Ubeda also ohne alle Umstände gefunden, und nicht Baetulo, wie ich anfangs hatte, was ich aber leider, ohne die Platte zu verderben, n|ich|t wegschaffen lassen kann.

p. 71.
Salacia. Ein neuer Zuwachs ist bey dieser Gelegenheit meinem Texte geworden, beym Worte Caetobrix. Das erstemal hatte ich es der Mühe n|ich|t werth gehalten, den Stall Strabos zu säubern. Es ist sehr interessant, den Casaubonus[j] über diese Stelle zu lesen. Welche Unbehülflichkeit der Stockphilologen in Erklärungen dieser Art.

|142v; S. 6| p. 72.
Segubia. Ptol. Die andern Segovia; Secovia die Mpte u. gemeine Schreibart des It. Aber selbst Münzen (Wess. p. 435.) haben Segovia u. Ptol. stellt es auch unter die Arevacae; folgl. kann keine Bedenklichkeit obwalten, es für unser Segovia anzusehen, das überdies bedeutende Ruinen hat, die ich Buchnern (s. unten) zu untersuchen wünschte. Man wird sie für Maurisch halten.

p. 84.
Iuliobriga. Mannert hat, wie meistens, auch hier nur gerathen, u. nennt den Nerva fl. der seinen Namen nur gar zu vollständig bis auf unsre Zeiten gebracht (Nervion) Nansa, der aber jezt Ason heißt. Er hat also nicht im Mela nachgelesen, welcher letztren Nanasa nennt. Ueberhaupt haben die Flüsse u. Orte an der ganzen nördl. Küste hin (eine zieml. Menge) beynahe alle ihre Namen mit wenig Veränderung bis auf unsre Zeiten gebracht, welches daher kommen mag, weil Cantabrien erst späte von den Römern u. von den Mauritaniern gar nicht unterjocht worden, mithin wenig Verwässerung erlitten hat. Mir ist kaum eine entgangen, so wenig Schwierigkeit macht ihre Auffindung.

p. 87.
Sucrana. Meine Ausgabe des Plin. die Leidner von 1669. (<s.> oben) mit allen Commentarien des Hermolaus, Pintian. Rhenan. Gelen. Dalecamp. Scaliger. Salmas. Voss. p. versehen, worinnen auch alle Varianten sind, hat Sacrana ohne alle Anmerkung. Vermuthl. hat die Zweybrück. (von mir abandonnirt) Su.

Sollte nicht Sucro fl. (Plin. III. 3. Strabo. Cic. pro Balbo c. 2. Seneca de Benef. V. 24. Ptol. (fluv|?|) It. Ant. p. 400.) hieher gehören?

Magrada. Ist ein Ort, u. Ocaso der Fluß. Mela fängt einige Zeilen vorher bey et Derales an, den Fluß im Accus. u. die Völker oder Orte im Nominativ zu setzen; vorher umgekehrt. Magrada ist indessen einer von den wenigen Orten, deren Spur ich im Neuspanien n|ich|t gefunden. Marquina, bey Bilbao herum, kann ich ohne großen Zwang n|ich|t wohl ******.

|143r; S. 7| p. 88.
Brutobria. S. m. Text. Ich denke nicht, daß ich mich in Buitrago irre, wenn es schon nur Vermuthung ist, jedoch n|ich|t ohne alle Gründe. Stephans Beschreibungen der Lagen der Orte sind fast alle so vag, wie die Briefadresse einer hiesigen Taglöhnerin an ihren Sohn: Abzugeben in Ochsenkopf (war die Herberge im Ochsenkopf zu Frankfurt gemeint), welcher Brief in ganz Deutschland u. der Türkey herum bis nach Oczakow u. wieder zurück wanderte. Die Tyritaner mögen immerhin die Turdetaner seyn; aber die Expedition des Brutus läßt so eine Gründung oder wenigstens Namensvertauschung in Brutusstadt <in> diesem Striche, durch den er auf alle Fälle entweder von Tarracona oder von Corduba her ziehen mußte, gar wohl vermuthen. Und der jetzige Namen Buitraga ist ein fast völliges Anagramma des alten, blos br u g. sind verschieden. Ist nun diese Versetzung Neuspanisch oder Maurisch? Ich sage Spanisch. Denn der Asiate (besonders der Araber u. Türke) verwandelt zwar Bre, bri, bru; Tre, tri, tru, tro, in Ber, bir, bur, Ter, tir, tur, tor. Er würde also Bur daraus gemacht haben.

p. 93.
Bituriges. Machten in Gallien 2. Stämme aus; Cubi bey Bourges, u. Vivisci an der Mündung der Gironde. Also waren sie doch eigentl. aquitan. Ursprungs, u. vermuthl. ihr erster <und> Hauptsitz am Wasser d.i. der Garonne, von denen s. in der Folge, wohl lange vor Caesar die Cubi getrennt, u. unter die Celten gemacht.

p. 95.
Ardyes. Von Polybius ausgeheckt. Kein andrer weiß etwas davon. Sollen es die berüchtigten Arverner seyn, oder lieber Aedui, wo ersteres von Polyb. selbst falsch niedergeschrieben, letzteres leichter Fehler der Abschreiber seyn könnte (Ἄεδυες/Ἄεδ8ες)[k] oder ist damals ein wichtiger Ort mit bedeutendem Gebiete dieses Namens daherum gewesen? Das wird wohl so leicht nicht auszumitteln seyn.

|143v; S. 8| Zur Rhone gehen mehrere Flüsse, die die erste Hälfte des Worts haben: Ardeche u. Ardière (letztere in die Saone im ehemal. Ländchen Villefranche, jezt <im> Dpt du Rhone) dann ist ein Städtchen Ardes (5. Lieues NW. von Brioude; Dpt. Puy de Dome) ehemals Arvernisch. u.s.w. Nur ist diese Stelle durch seine Keckheit mit der er uns den Zug des Hannibal vorlügt, höchst verdächtig. Ich habe schon ehehin diese Etourderie der Welt aufdecken wollen, nur fehlte es mir immer an Zeit. Er sagt (III. 48. fin.) er sey aus Wißbegierde und Wahrheitsliebe (!) selbst auf den Alpen gewesen, u. habe s. von gleichzeitigen Personen (50. Jahre nach dem 2ten Pun. Krieg fällt dies) die es erlebt hätten, unterrichten lassen, u. spricht gleichwohl, Hannibal wäre beym Ursprung der Rhone (welche unsinnige Beschreibung giebt er vom Lauf dieses Stroms! c. 47.) (also über die Reihe vom großen Bernhard bis zum St. Gotthard) über die Alpen gegangen, wo er vom Gipfel derselben (N ehe er angefangen abwärts zu marschiren) seiner Armee die Pogefilde gezeigt habe. Da nun dieses auf jener ganzen Reise gar n|ich|t möglich ist, so hat er gelogen und zwar absichtlich; denn ein sonst so gescheuter Schriftsteller wird sich von den Eingebohrnen doch eine so augenscheinl. Unwahrheit nicht aufbürden lassen? Absichtlich! Denn er nennt auf diesem ganzen Zuge auch n|ich|t einen einzigen Namen weder eines Ortes, noch Flusses noch Volkes, d|urc|h welches Hannibal gegangen (wie Liv. zur völligen Gnüge |sic| thut) warum? um das Nachfragen u. Nachspüren zu erschweren – keine andre Ursache. Er predigt ja die Wichtigkeit dieses Zuges auf allen Zeilen, giebt bey andren minder wichtigen fast alle jene Gegenstände sorgfältig mit Namen u. Localbeschreibungen an, nur hier ist er stockstille. Zu seinem Zeitalter hielt er s. für Nachforscher sicher, nicht ertappt zu werden. Und warum weiß denn Liv. alles haarklein, der doch diese Neugierde, selbst zu sehen nicht hatte? – Man sieht aber daraus, daß schon zu seiner Zeit viel Streit über diese Frage entstanden seyn muß, den er |144r; S. 9| mit einer solchen Erdichtung <auf einmal> niederschlagen u. sich in grosses Ansehen bringen wollte. In der Abh. * N. G. Eph. VII. I. habe ich ihn noch bey Ehren gelassen, weil mir es nicht um Polemik daselbst zu thun war. Indessen sollte man doch der Welt über dgl. Dinge die Augen besser öfnen, damit auch die Rechte der Unschuldigen – (hier des Livius welcher schon gräulich mitgenommen worden, als habe er den Polyb. ausgeschrieben, ja sogar verfälscht) vindicirt würden. Ebel in s. Schweiz (Art. gr. Bernhard)[l] hat recht gute Gründe wider diese Meinung aufgestellt, aber von des Polyb. Windbeuteley nichts gemerkt, und den Hannibal seines Weges ziehen lassen. <– Noch ein Beweis seiner Anmaasung liegt darinnen, daß er den Eratosthenes corrigiren will, den er nicht einmal versteht.>

p. 97.
Artobriga ist nicht Regensburg. Dies ist Rhegina castra der Peut. T. des Itin. u. der Notit. Imp. Jenes war auf dem Wege von Iuvavia (Salzburg) nach dem Pons aeni (Rosenheim) und ich habe es in Hartburg an der Südöstl. Seite des Chiemsee gefunden. Dies weiß noch niemand, kommt aber mit meiner Karte von Rhaetien, Noric. Pannon. p. zum Vorschein. Prof. Buchner[m] fand die alte Strasse von Aug. Vind. nach Rosenheim. Wahrscheinl. ist Ihnen noch unbekannt, daß dieser Professor Buchner zu Regensburg ganz Schwaben u. Bayern, benebst den benachbarten Gränzen seit einigen Jahren durchreiset, um alle Römisch. Anlagen aufzusuchen. Mit Schwaben u. einem zieml. Theil von Bayern ist er fertig, heuer und übers Jahr nimmt er noch den Theil vom Lech ostwärts. Seine bisherigen Berichte stehen in der Münchner LiteraturZeitg, u. vorher gieng ein Tractat über die Teufelsmauer (limes Romanorum) von Kelheim nach Wassertrüdingen zu. Den vorjährl. Bericht über Schwaben habe |sic| soeben in der Hand, in Mspt, indem ich die <seine> Karte mit zu reguliren habe. Dieser Mann verdiente eine bessere Unterstützung zu einem so wichtigen ächt literar. Unternehmen. Es hat viel solcher Forscher an Ort u. Stelle gegeben, allein eine solche Gewandheit, ächt römisch. Gegenstände überall aufzufinden und von allen andern zu unterscheiden, verbunden mit ächter, classischer, gründlicher Gelehrsamkeit, hat noch keiner besessen; einen so rastlosen Eifer nie jemand so besessen <gehabt> und bewiesen; keiner noch solche Schwierigkeiten überwunden – ohne allen Anspruch, aus Liebe zur Wissenschaft. Er ist ohne alles Vermögen u. hat nur sein dürftiges Aus-|144v; S. 10|kommen, und er kann vermöge seines Amtes im Lyceum nur die Hundstage reisen, worinnen ihn jetzt Campe in Nürnbg einigermaßen unterstützt. Die Regierung hat noch nichts gethan. Diesen sollten alle Potentaten, deren Länder Römisch. Alterthümer noch verbergen, beauftragen, sie zu untersuchen, er ist der einzige Verläßliche, der sie aufs genaueste kennt. Auf seinen Entdeckungsreisen, besonders auf dem letzten Gange durch Schwaben sind Dinge ohne Zahl, darum sich bis diese Stunde niemand bekümmert hatte, zum Vorschein gekommen, Castra, Schanzen, Thürme, Wälle u. Mauern 10. 15. 20. gg. Meilen lang in schnurgerader Linie, Tempel, Gräber Bäder pp. der Utensilien gar n|ich|t zu gedenken. <Alle Orte der Itinerarien, des Ptol. der Notitia u. übrigen Autoren sind dad|urc|h an den Tag gekommen.> Dieses ungeheure Netz von Festungswerken, doppelten u. dreyfachen, werden Sie auf meiner K. v. Rhaetien künftig ebenfalls finden. Jetzt ist eine ganze Gesellschaft in Schlesien, d|urc|h H. Pr. Kruse aufgeregt, zusammengetreten, diese Absicht zu erreichen, und, so viel ich gehört, wolle der König auch eine Summe zur Unterstützung verwenden. Man wird die Absicht <so> nicht erreichen, nur hier und da Bruchstücke, ohne allen Zusammenhang erhalten, weil keiner weiß, was der andre thut. Das bringt Lücken, Ungewißheiten, Streitigkeiten, unnützes Geschreibe und vergebl. Aufwand zu wege, u. kann nie ein Ganzes werden. Ich bin zur Gewisheit gekommen, daß die Römer <von August> bis zu Anfang des 4ten Jahrhunderts durch Mähren und Böhmen hindurch in mehrern Kriegen nach Schlesien hinein gedrungen, und dieses Land bis an die Elbe herüber eine Zeitlang besaßen, und <hie schon|?|> befestiget haben (vielleicht 100 u. mehrere Jahre lang) besonders unter <Trajan> Septim. Severus u. Probus; hier ist Buchner der Mann, der es völlig aufklären kann, wenn ihn von Seiten der KPr. Regierung zur Bereisung dieser Gegenden (Schlesiens u. der Lausitz bis nach Polen (Cissa) hinein) Unterstützung gewähret würde. Und wie wohlfeil käme der König dazu, da B. ohne alle Praetension ist, da er nicht kutschiert, sondern überall zu Fuße wandert, und nothwendiger Weise wandern muß, wenn er seinen Zweck erreichen will, dagegen |145r; S. 11| jene Summen, der Gesellschaft gegeben, zu 1000den verzehren <wegnehmen> würden, welches lauter weggeworfenes Geld wäre. Der Römisch. Urnen, Degenspitzen, Töpfe, Scherben hat man schon so viel, daß sie gar kein Interesse mehr erregen, während die eigentl. Grenzzeichen ihrer Herrschaft unerforscht bleiben. Die einzigen Münzen sind von literar. Werth unter den Geräthschaften, weil die Zeit allenfalls daraus bestimmt werden kann. – Sollte dieses nun nicht zu des Königs Wissenschaft zu bringen seyn? Auch Sie würden so einem Unternehmen, dessen Gelingen so vor Augen ist, gewiß Ihren Beyfall nicht versagen können.

p. 153. <103.>
Eburovices. Plin. hat auch Euburiates bey den Ligurern, od. die Ligurier selbst möchten am Ende mit hieher zu ziehen seyn.

p. 105.
Medulli. Es gab nach Plin. Vitruv. (VIII. 3.) u. einer Inscr. von Iul. Caesar eine Stadt Medulli in Latium.

Vindius mons. In der Provinz tras los montes (Correiçâo de Miranda) ist ein Städtchen Vinhaes; ohnstreitig zu jenen Zeiten schon vorhanden, da es dem Vindius naheliegt. Noch ist ein Vinca in der Grafschaft Roussillon im Txt |sic| gleicher Art.

p. 106.
Sicor. Ich lese Secor im Ptl. auch die Tafel hat Segora. Das ist Saumur an der Loire, mein Text von Gallien giebt Aufschluß. Segorium (Wess. p. 372. not.) = Woringen sollte hieher mit gehören.

p. 114.
<Aura. Auch der Fluß Aura am Po. Plin. III. 16. ist ohne Anfangs A.
p. 120.>

Iliga. Helice scheint mir ebenfalls offenbar gräcisirt. Der jetzige Name ist osmanisirt = Ikliman halb Griech. halb Türk. (λιμὴν)

p. 144.
Samara. Auch ich glaube n|ich|t, daß der Fluß so hieß. Erst Venant. Fortunat und Greg. Turones. bringen den ächten Namen Somena, Sumina vor.

|146r| Einzelne Fragen ad p. 172.
Celtae; Κέλτοι, die schon Herodot so nannte. Kalt, Kälte; Galatae u. Galli bey den Römern. Sollte das Wort Kälte mit Celtae in Verwandtschaft stehen, so wäre erwiesen daß sie aus dem Norden, in sehr frühen Zeiten ausgewandert wären, und sehr wahrscheinl. das <sich um diese Zeit schon mit dem> Stammvolk der Iberier wären. <vermischt hätten.>

|146v und 147r/v vacat|

Über diesen Brief

Schreibort
Antwort auf
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Folgebrief
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Quellen

Handschrift
  • Grundlage der Edition: Berlin, AST, Inv.-Nr. 1091, Bl. 139–150
Druck
-
Nachweis
  • Mattson 1980, Nr. 11702

In diesem Brief

Werke
Zitierhinweis

Christian Gottlieb Reichard an Wilhelm von Humboldt, vermutlich Mitte/Ende Juni 1821. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/620