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Wilhelm von Humboldt an August Wilhelm von Schlegel, 03.07.1829

[a] Ich danke Ew. Hochwohlgebornen recht herzlich für die Güte, mich so schnell mit einer Antwort auf meinen neulichen Brief erfreut zu haben. Ich kann mir nicht das Vergnügen versagen, auf diesen sogleich zu erwiedern, werde mir aber erlauben, nur kurz zu seyn.

Ich bitte Ew. Hochwohlgebornen zu glauben, daß es mir nie eingefallen ist, zu glauben, daß Sie bei Ausgaben Sanskritischer Werke die gänzliche Worttrennung befolgen würden, noch weniger aber so anmaßend zu seyn, darauf irgend Anspruch zu machen. Es ist ganz etwas Andres, eine Neuerung theoretisch zu vertheidigen, als sie praktisch, wo ihr vieles rein Factische entgegentreten kann, auszuführen. Alles, was ich mir wünschte, bestand in Ew. Hochwohlgebornen Billigung der Idee und der Gründe, die mich darauf geleitet haben. Eine solche Uebereinstimmung von Ihrer Seite würde mich in meiner Ueberzeugung gänzlich befestigt haben.

Ich setze gewiß keine Eigenliebe in einen so einfachen Gedanken, und bin frei von der Sucht Proselyten zu machen. Zwei Jahre vor meinem Aufsatz im Journ. Asiat. hatte ich mir schon einen Theil der Gesetze des Manus so abgeschrieben, und mit Interpunction versehen. Ich hätte nie darüber öffentlich gesprochen, wenn nicht der gute Rosen in der Vorrede zu seinen Wurzeln mir darüber Dinge in den Mund gelegt hätte, die nie meine Meinung waren. Den Deutschen neuesten Aufsatz habe ich nur geschrieben, weil die Herausgeber der Jahrbücher mein Stillschweigen in ihrer Zeitschrift für absichtlich zu halten anfiengen, und mich Herrn Dursch ungründliche und wenig höfliche Abfertigung meines Vorschlages verdroß.

Die Opfer, welche Ew. Hochwohlgebornen dem Sanskritstudium gebracht haben, und fortdauernd bringen, weiß niemand so sehr zu schätzen, als ich.

Ueber das, was zwischen Ew. Hochwohlgebornen und Herrn Bopp persönlich ist, so leid es mir auch thut, kann ich nicht urtheilen, und zwar um so weniger, als, wie ich sehe, es darin mir unbekannte Thatsachen giebt. Alles was ich wünsche, ist, daß diese Persönlichkeiten, und der Eindruck, den sie auf Sie beide machen, keinen Einfluß haben mögen auf die ruhige und unpartheiische Beleuchtung wissenschaftlicher Gegenstände, und daß, was gemeinschaftliche wissenschaftliche Erörterung seyn sollte, nicht als Streit zwischen zwei Gegnern erscheine. Ew. Hochwohlgebornen klagen über einen ungehörigen Brief Bopps. Mir ist dieser ganze Briefwechsel unbekannt. Allein haben Sie auch wohl geprüft, ob nicht in Ihrem Schreiben, worauf derselbe eine Antwort ist, sich ein Gefühl der Superiorität aussprach, das nun einmal nicht jeder erträgt?

Ihr schöner Ramayana ist nunmehr in meinen Händen, und den Hitopadesa hat mir Schultze verheißen. Haben doch Ew. Hochwohlgebornen die Güte mich wissen zu lassen, an wen ich die Zahlung für den Ramayana zu machen habe.

Ich bitte Ew. Hochwohlgebornen, mir Ihre gütige Theilnahme und Ihr freundschaftliches Vertrauen zu erhalten, und wiederhole Ihnen die Versicherung meiner ausgezeichnetesten Hochachtung.
Humboldt.
Tegel, den 3. Julius, 1829.

Herr Lassen hat mir einen sehr interessanten Brief geschrieben, aus dem ich viel Belehrung geschöpft habe. Ich bitte Ew. Hochwohlgebornen ihm vorläufig in meinem Namen recht herzlich dafür zu danken. Von meinem Bruder sind die letzten Nachrichten von Casan vom 8. Junius. Er wollte von dort am 9. nach Catharinenburg abgehen, u. hatte die Ruinen von Bulgara (280 Wersten von Casan) besucht. Er fand[b], daß von Moscau an die Thürme, die stufenartigen Pyramiden gleichen, und wo achteckige auf viereckige gesetzt sind, andre Abbildungen ähnlicher Bauwerke in Indien erinnern.

Anmerkungen

    1. a |Editor| Oben rechts in Schlegels Handschrift: vom 3ten Jul. 29.
    2. b |Editor| Leitzmann 1908, S. 249: Er fand auch, …
    Zitierhinweis

    Wilhelm von Humboldt an August Wilhelm von Schlegel, 03.07.1829. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/1105

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