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  3. Nr. 175

Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 30.05.1830

|1*| Ich schicke Ihnen bester Freund einen Brief und ein Manuscript des Herrn Heinrich Kurz in Paris und Sie werden aus Beidem den Wunsch desselben ersehen, das Manuscript in die Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik aufzunehmen. Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie die Sache bei der Redaction in Vorschlag bringen und von dem Erfolg Herrn Kurz Nachricht geben wollten. Ginge das Verlangen nicht durch, so wählen Sie wohl in Ihrer Antwort solche Motive, welche nicht verletzen können. Das Manuscript bliebe in diesem Fall wohl zurück, bis Herr Kurz wieder geschrieben hätte, was geschehen solle. Den Brief könnten Sie an Herrn Abel-Remüsat |sic| auf der Königlichen Bibliothek addressiren. Ueber die Frage: ob man gut thun würde, die Recension aufzunehmen, oder nicht? kann ich, nach sehr flüchtiger Lesung und einer gewissen Furchtsamkeit über |2*| Chinesische Dinge zu urtheilen, nur folgendes sagen. Die Recension beweist allerdings ein freieres und allgemeineres Nachdenken über die chinesische Grammatik, als man gemeinhin findet, allein die Begriffe des Verfassers davon sind bei weitem nicht gereift genug, und im Styhl< | Handschrift wvh| Styl> | Handschrift Schreiber| ist eine sonderbare Unbehülflichkeit. In der Sache gegen Julien theile ich zwar vollkommen seine Meinung, aber in den allgemeinen Begriffen setzt Kurz eine ganz unnatürliche Verschiedenheit der Schriftsprache von der gesprochenen voraus. Er bedenkt gar nicht, daß, was er gesprochene Sprache nennt, eine ganz unvollkommene, größtentheils von Fremden gemachte Aufzeichnung der Laute ist, in der gewiß viele Nuancen der wahren Aussprache übergegangen sind. Merkwürdig in der Recension ist die Abweichung< | Handschrift wvh| Abschweifung> | Handschrift Schreiber| zur Vertheidigung Remüsat’s.[a] Offenbar ist hier Neumann gemeint. Es scheint mir aber bloß ein falsches Gerücht zum Grunde zu liegen. Neumann hat mir nie so etwas geäußert. |3*| Hätte er es gegen andere gethan, so wäre es sehr ungerecht. Denn Remüsat’s Grammatik trägt offenbar das Gepräge einer ganz eigenen Auffassung, wenn auch der Stoff derselben in einem früheren Werke liegen sollte. Gerade dieser Stelle wegen wünschte ich indeß die Aufnahme der Recension, da Remüsat und seine Anhänger gewiß glauben, man habe die Recension deshalb nicht aufnehmen wollen. Neumann aber kann die Stelle nicht verletzen, wenn er solche Aeußerung nie gemacht hat. Um alles vorzubereiten werde ich Herrn Kurz schreiben, wie ich glaubte, daß man, den Gesetzen der Jahrbücher nach, nur von schon wirklichen aufgenommenen Mitgliedern des Instituts Recensionen annähme.

| Handschrift wvh|Mit herzlicher Freundschaft Ihr
H.
| Handschrift Schreiber| Tegel den 30ten Mai 1830.

An
Herrn Professor Bopp.
Wohlgebohren
in
Berlin
|4* vacat|

Anmerkungen

    1. a |Editor| Vgl. hierzu auch Heinrich Kurz: Über einige der neuesten Leistungen in der chinesischen Litteratur. Sendschreiben an Herrn Professor Ewald in Göttingen (Paris: Königliche Druckerei / Leipzig: Vogel 1830).
    Zitierhinweis

    Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 30.05.1830. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/175

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