Franz Bopp an Wilhelm von Humboldt, 27.02.1829
beehre ich mich hiermit die beiliegenden Briefe nebst Carey und Panini zurückzuschicken. So weit es möglich ist aus den dürftigen Angaben von Panini einen richtigen Begriff der Form {leṭ} sich zu machen, glaube ich daß Ew Excellenz die Bildung derselben von dem wahren Gesichtspunkt aufgefaßt haben. Was die Bedeutung anbelangt, so bin ich nicht abgeneigt eine Verwandtschaft mit dem Imper. oder Potentialis anzunehmen, obwohl <man> sich davon <durch die> aus dem Context gerissenen Beispielen |sic| nicht überzeugen kann. {patāti} und {a} < {neṣat} > lassen sich als verschiedene Tempora Eines Modus auffassen. Lieber wünschte ich für {neṣat} eine Form {neṣāt}, es fände dann ein gemeinschaftliches Bildungsprincip statt.
{karavaite} scheint mir, wie auch wohl Ew Excellenz die Sache ansehen, ein Hinüberspielen der 8ten in die erste |118v| Classe, dadurch daß an das {u} der 8ten noch der Character der ersten hinzutritt, {karavaithe} bestimmt zu {pataitha}, welches Lassen bildet, und dies erklärt sich aus {patethe} (für {pata} + {āthe}) durch die Form {leṭ} beliebte Vocal-Verstärkung vor dem Pronominal-Buchstaben. Den Plural {kavayas} begreife ich ebenfalls nicht. Lassen nimmt doch wohl {upasaṃvādāśaṅkayos} ebenfalls für ein Dvandva er kennt nur nicht die Bedeutung von {upasaṃvāda} |.| An den F von Lassen gebildeten Formen {patāsai}, {patātai}, {patādhvai} muß ich ebenfalls großen Anstoß nehmen, weil ich glaube diese Formen müßten sich mit dem verlängerten a vor den Personalkennzeichen begnügen, und nicht wie ganz unersättlich noch das schließende {e} verstärken wollen. Wenn auch Panini irren kann, so glaube ich irrt er an den passiven Bildungen wie {ucyāntai}, wo {ucyānte} passender wäre. {rārandhi} muß freylich ein |sic| Intensiv-Form seyn wenn es sich auch nicht ganz der Regel fügt. Es freut mich daß in den Wêda’s|?| der Imperativ nicht blos nach Consonanten sondern auch nach Vocalen {dhi} zur Endung der zweiten Person hat, die ich theoretisch |119r| als die ursprüngliche erkannt hatte (latein. Ausg. p. 104, deutsch. S. 315 Anm.|)|
Die citirten Stellen des Panini habe ich auf den angegebenen Seiten gefunden, und die Seiten bezeichnet.[a]
EhrerbietigstEw Excellenz
ganz gehorsamster
Bopp
27 Febr. 29
|119v vacat|
Anmerkungen
- a |Editor| Eventuell bezieht Bopp sich hier auf Colebrookes englische Pāṇini-Übersetzung (1809).
Über diesen Brief
Quellen
In diesem Brief
- Carey, William (1806): A Grammar of the Sungskrit language, composed from the works of the most esteemed Grammarians, to which are added examples for the exercise of the student, and a complete list of the Dhattoos or Roots, Serampore: Mission Press
- Colebrooke, Henry Thomas (1809): The Grammatical Sootras or aphorisms of Pánini with selections from various Commentators, 2 Bände, Calcutta
- Lassen, Christian (1830): Ueber Herrn Bopps grammatisches System der Sanskrit-Sprache [Rez. von Franz Bopps Ausführliches Lehrgebäude der Sanskrita-Sprache, Berlin 1827]. In: Indische Bibliothek 3, Heft 1, S. 1–113
- Pāṇini: Grammatik des Sanskrit
Zitierhinweis
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