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  3. Nr. 255

Franz Bopp an Wilhelm von Humboldt, 27.02.1829

|118r| Ew Excellenz

beehre ich mich hiermit die beiliegenden Briefe nebst Carey und Panini zurückzuschicken. So weit es möglich ist aus den dürftigen Angaben von Panini einen richtigen Begriff der Form  Sankskrit {leṭ} sich zu machen, glaube ich daß Ew Excellenz die Bildung derselben von dem wahren Gesichtspunkt aufgefaßt haben. Was die Bedeutung anbelangt, so bin ich nicht abgeneigt eine Verwandtschaft mit dem Imper. oder Potentialis anzunehmen, obwohl <man> sich davon <durch die> aus dem Context gerissenen Beispielen |sic| nicht überzeugen kann.  Sankskrit {patāti} und  Sankskrit {a} <  Sankskrit {neṣat} > lassen sich als verschiedene Tempora Eines Modus auffassen. Lieber wünschte ich für  Sankskrit {neṣat} eine Form  Sankskrit {neṣāt}, es fände dann ein gemeinschaftliches Bildungsprincip statt.

 Sankskrit {karavaite} scheint mir, wie auch wohl Ew Excellenz die Sache ansehen, ein Hinüberspielen der 8ten in die erste |118v| Classe, dadurch daß an das  Sankskrit {u} der 8ten noch der Character der ersten hinzutritt,  Sankskrit {karavaithe} bestimmt zu  Sankskrit {pataitha}, welches Lassen bildet, und dies erklärt sich aus  Sankskrit {patethe} (für  Sankskrit {pata} +  Sankskrit {āthe}) durch die Form  Sankskrit {leṭ} beliebte Vocal-Verstärkung vor dem Pronominal-Buchstaben. Den Plural  Sankskrit {kavayas} begreife ich ebenfalls nicht. Lassen nimmt doch wohl  Sankskrit {upasaṃvādāśaṅkayos} ebenfalls für ein Dvandva er kennt nur nicht die Bedeutung von  Sankskrit {upasaṃvāda} |.| An den F von Lassen gebildeten Formen  Sankskrit {patāsai},  Sankskrit {patātai},  Sankskrit {patādhvai} muß ich ebenfalls großen Anstoß nehmen, weil ich glaube diese Formen müßten sich mit dem verlängerten a vor den Personalkennzeichen begnügen, und nicht wie ganz unersättlich noch das schließende  Sankskrit {e} verstärken wollen. Wenn auch Panini irren kann, so glaube ich irrt er an den passiven Bildungen wie  Sankskrit {ucyāntai}, wo  Sankskrit {ucyānte} passender wäre.  Sankskrit {rārandhi} muß freylich ein |sicIntensiv-Form seyn wenn es sich auch nicht ganz der Regel fügt. Es freut mich daß in den Wêda’s|?| der Imperativ nicht blos nach Consonanten sondern auch nach Vocalen  Sankskrit {dhi} zur Endung der zweiten Person hat, die ich theoretisch |119r| als die ursprüngliche erkannt hatte (latein. Ausg. p. 104, deutsch. S. 315 Anm.|)|

Die citirten Stellen des Panini habe ich auf den angegebenen Seiten gefunden, und die Seiten bezeichnet.[a]

Ehrerbietigst
Ew Excellenz
ganz gehorsamster
Bopp
27 Febr. 29

|119v vacat|

Anmerkungen

    1. a |Editor| Eventuell bezieht Bopp sich hier auf Colebrookes englische Pāṇini-Übersetzung (1809).
    Zitierhinweis

    Franz Bopp an Wilhelm von Humboldt, 27.02.1829. In: Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der Sprachwissenschaftlichen Korrespondenz. Berlin. Version vom 15.03.2023. URL: https://wvh-briefe.bbaw.de/255

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