Wilhelm von Humboldt an Friedrich August Wolf, 27.[01.1821]<idno type="BBAW">1149</idno> Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der sprachwissenschaftlichen Korrespondenz Frank Zimmer Editor Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0) Grundlage der Edition: Berlin, SBBPK, Ms. germ. qu. 655, Bl. 217 (Nr. 91) Mattson 1990, S. 324f. 7082 Ritter, Carl Humboldt, Wilhelm von (1821): Prüfung der Untersuchungen über die Urbewohner Hispaniens vermittelst der Vaskischen Sprache, Berlin: Ferdinand Dümmler Wir haben uns in unendlich langer Zeit nicht gesehn, liebster Freund, … Humboldt, Wilhelm von [Berlin] Wolf, Friedrich August Eigenhändig Baskisch Keltisch FZ 30. Oktober 2020 in Bearbeitung

Wir haben uns in unendlich langer Zeit nicht gesehn, liebster Freund, und ich mache mir oft Vorwürfe, daß ich Sie nicht öfter aufgesucht habe. Allein ich bringe, in meiner jetzigen Lebensweise, den Sommer unter vielen Zerstreuungen u. entfernt von Büchern zu, u. so heftet mich der Winter dermaßen an meinen Schreibtisch, daß ich ihn wirklich, ein Paar Abendstunden ausgenommen, niemals verlasse.

Heute habe ich eine große Bitte an Sie. Meine Arbeit über die Urbevölkerung Spaniens ist seit einigen Wochen vollendet. Da ich aber früher einmal ausführlich mit Ritter davon gesprochen hatte, so theilte ich ihm die Handschrift mit. Er meint, daß die bisher sehr dunkle Materie der Urbevölkerung des Westlichen Europas, u. die Fragen über die Celtische Sprache, u. den Zusammenhang einiger neuern mit ihr, dadurch sehr aufgeräumt seyen, daß der Weg gezeigt sey, wie man den von mir nur von Einer Seite her behandelten Stoff erschöpfen könne, u. daß die vorsichtige Methode, die ich gewählt, sich auch zur Nachahmung bei andren Untersuchungen gleicher Art empfehle. Er rathet mir also sehr zur öffentlichen Bekanntmachung.

Ehe ich aber zum Druck schreite, oder ihn auch nur fest beschließe, wünschte ich unendlich, daß Sie die Handschrift eines Blickes würdigten. Ich bin weit entfernt, Ihnen die Mühe einer eigentlichen Durchsicht zuzumuthen. Allein ein Urtheil im Ganzen werden Sie fällen können, wenn Sie einige §phen aufmerksam lesen, u. in andre hineinblicken. Daß Sie dies thun u. mir Ihr Urtheil freimüthig sagen mögen, ist Alles was ich wünsche u. worum ich Sie mit Vertrauen auf Ihre alte Freundschaft bitte. Das Inhaltsverzeichniß wird Ihnen eine Hülfe seyn, das auszuwählen, was Sie füglich überschlagen können.

Leben Sie herzlich wohl! Mit alter u. unveränderter Freundschaft der Ihrige Humboldt. 27.Mattson 1990, S. 575 im Kommentar zu Brief 140 datiert diesen Brief aufgrund des oben genannten, lediglich durch ein kurzes Regest bekannten Brief an Carl Ritter vom 16. Januar 1821 (Wolfgang von Wurzbach (1954): Katalog meiner Autographen-Sammlung, Wien: W. Krieg, S. 53 Nr. 469) auf den 27. Januar 1821. Der Verbleib des Briefes an Ritter ist unbekannt. [FZ]