Ich muß Sie, theuerster Freund, recht sehr um Verzeihung bitten, Ihr
gütiges Schreiben vom 16ten März erst so spät zu
beantworten.Der Brief ist nicht
erhalten. Ich wollte aber gern Ihre
Recension mit rechter Muße und wiederholt lesen. Sie hat mir die größeste Freude
verursacht, und ich habe daraus zuerst einen wahren Begriff von dem Zend
geschöpft. Ich habe zugleich Ihren Scharfsinn aufs neue bewundert, einzelne
Verschiedenheiten auf allgemeine Gesetze zurückzuführen, und die Gewandheit,
jede grammatische Annalogie beider Sprachen herauszuerkennen. Aus
allem, was Sie sagen, scheint mir doch hervor zu gehen, daß das Zend weit mehr
als aus dem Sanskrit entsprungen anzusehen ist, wie das Griechische, welches
sich eher als eine Schwestersprache darstellt. Sie haben gewiß schon Bohlens kleine
Schrift über denselben Gegenstand empfangen, ich habe noch nicht
Zeit gehabt sie zu lesen. Ich zweifle indeß, daß diese Art der Untersuchungen
recht für ihn gemacht sind. Ich freue mich, Sie, liebster Freund, morgen über
acht Tage hoffentlich in der Akademie zu sehen. Ich
komme auf jeden Fall, da ich lesen muß.Sitzungsprotokoll der philosophisch-historischen Klasse (BBAW, Archiv,
II-V, 143, 22) vom 12. April 1831: "Herr W. v. Humboldt las über den
vollkommenen Zustand der Grammatik oder den ersten Theil einer Abhandlung
über das Wesen der Grammatik und ihre Erscheinung in den Sprachen.". [FZ]
Leben Sie herzlich wohl.
Mit aufrichtiger Freundschaft
der
Ihrige,
Humboldt.
Tegel, den 4ten April 1831.
N. S. Das Verzeichniß der Bücher erfolgt zurück. Ich habe für jetzt kein
Bedürfniß sie zu kaufen.