Paris den 6. Nov. 1823.
Ew. Excellenz gütiges Schreiben vom 10
October
Der Brief ist nicht
überliefert. würde ich schon früher beantwortet haben, wenn ich nicht
vorher alle Stellen Chinesischer Bücher, die auf die geknoteten Schnüre
bezug
Bezug
haben, hätte durchsehen wollen.
Die älteste derselben ist unstreitig diejenige, welche sich im 2ten Capitel des
zweiten Buches des Hy Hsü befindet, oder des
Commentars den Confucius dem Buche Y king beigefügt
hat, und der jetzt als ein integrierender Theil desselben angesehen wird. Es ist
eben diese Stelle welche Herr Rémusat
pag 67 in der note (2) anführt. Sie bedeutet wörtlich
übersetzt: „Im höchsten Alterthume waren geknotete Schnüre zum regieren. In
späterer Zeit verwandelte sie ein heiliger Mann in Schriftzeichen, damit die
hundert Beamte regieren zu laßen, und das Volk (die zehntausend Völker)
aufzuklären.“ – Montucci hat diese Stelle,
deren Anfang im Kaiserlichen Wörterbuche citirt ist, sonderbar genug
übersetzt.
Das Wai-ki, welches die alte mythologische Geschichte
von China enthält, und in der Edition von 1717 den großen Jahrbüchern Thung-kian Kang mu vorgedruckt ist, sagt (Buch I. fol.
II. recto) vom Sui-shin-schi, dem Vorgänger des Fu-hi: „Suig
Sui-shin-schi war der erste welche geknotete Schnüre
machte um damit zu regieren“ – Der Commentar des Tschu-hi, setzt hinzu: „Das höchste Alterthum hatte keine
Schriftzeichen. Die großen Angelegenheiten wurden durch große Knoten in
den Schnüren, und die kleinen Angelegenheiten durch kleine Knoten
in den Schnüren bezeichnet, die zur Erinnerung dienten. – Noch jetzt (im XII Jahrhundert unserer Zeitrechnung) haben alle südliche Barbaren
die in den Thälern und Felsenklüften wohnen solche, und bedienen sich auch der
Kerbhölzer zur Erinnerung.“ – Unter südliche Barbaren werden hier die wilden
Bergbewohner in den Provinzen Szü-tschuan, Yünnan, Koütschen und Kuangsi
verstanden. – Nach einer Chinesischen Geographie die ich in St. Petersburg benutzt habe, und die aus
der letzten Hälfte des XVII Jahrhunderts ist, haben diese Bergbewohner noch
jetzt den Gebrauch der geknoteten Schnüre. Ich denke sie bedienen sich derselben
wie die Samojeden der Kerbhölzer (S. Asia polyglotta
165).
Ich bin so frei gewesen Ew. Excellenz einige Drucksachen mit der Post zu
schicken, die auf Sprachvergleichung
bezug
Bezug
haben. Das letzte waren die Coptischen Wörter. Hätte ich die in
St. Peterburg
gedruckte Tscheremissische Grammatik hier gehabt, so
würde gewiß die Ausbeute noch reichhaltiger ausgefallen sein. Sollten Sie mir
wohl dieselbe von der Berliner Bibliothek, wo sie
sich befindet (mit einer Wotiakischen und Tschuwaschischen zusammen gebunden)Die zusammengebundenen Grammtiken befinden sich heute in der
Staatsbibliothek zu Berlin, unter der Signatur Zr 29660. [FZ], auf
einige Zeit hierhersenden können?
Mit nächstem werde ich vielleicht im Stande sein Ihnen eine sehr interessante
linguistische Neuigkeit zu schreiben.
Bis dahin verharre ich mit tiefster Hochachtung
Ew.
Excellenz
ganz gehorsamster Diener
JHKlaproth
6. Passage Sendrier.
A Son Excellence
Monsieur le Baron Guillaume de
Humboldt
Ministre d’Etat
à
Berlin.