Ew. Excellenz
erlaube ich mir endlich, zugleich mit dem innigsten Danke das Werk von Marsden wieder zuzustellen. Einen
Bericht darüber für die kritischen
Jahrbücher werde ich in wenigen Tagen nach Berlin absenden. Leider kann ich nicht günstiger darüber
urtheilen, als daß die ganze Arbeit mir verfehlt erscheint, denn nur
so kann ich eine Untersuchung bezeichnen, die das, was am Ende bewiesen werden
soll, bereits im Anfang voraussetzt. Interessant ist es, daß
Marsden
, noch viel
öfter,
öfter
als wo er es
ausdrücklich sagt, Quellen besitzen muß, die, als ungedruckt, uns unzugänglich
sind; (manches Gedruckte aber hat er übersehen,) allein selbst ausgerüstet mit
allem, was das gesammte Europa darüber weiß, scheint es mir unmöglich, für jetzt
zu unterscheiden, welche Sprache Malaiisch, welche Negrito sei, wenn dies
überhaupt je möglich sein sollte. Ich bin nicht der Einzige, der mit großem
Verlangen Ew. Excellenz Entscheidung darüber entgegensieht.
Außerdem werden Ew. Excellenz gleichzeitig in den Jahrbüchern eine kurze Anzeige von
Raffles Memoirs
finden, in der ich versucht habe, meine
Ansicht über diesen Mann niederzulegen, so
gut dies bei der mir auferlegten Beschränkung möglich war. Daher besorge ich,
daß manches darin bloß Andeutung geblieben ist.
Ich werde mich jetzt zu der interessanten Untersuchung über das Malaiische de, mit der Ew. Excellenz mich so gütig beehrt
haben,Siehe Humboldts [Brief vom 16.02.1834.](914)
und der ich, wie ich
schon früher mich äußerte, in aller Beziehung beipflichten muß. Ich selbst
hatte, als ich zuerst die Entwickelung dieses Punctes versuchte, sehr
fehlgegriffen, verführt durch die unläugbare Verbindung zwischen der
Verbalpartikel und der Präposition; ich hatte aber, wahrscheinlich durch das
französische
en
verleitet, alles aus der letzten zu erklären versucht, und war darüber in
unauflösbare Schwierigkeiten verwickelt worden. Dabei war mir das
Verhältniß des possessiven
nia
, zumal da
Marsden
jederzeit wie beiläufig vor der
Verbindung zwischen den personalen und possessiven Pronominen endet, nicht klar
hervorgetreten, und die Stelle p. 100, die auf das
richtige hinführen muß, hatte ich früher gar nicht beachtet.
Dennoch bleibt mir noch Einiges auffallend. Das Beispiel p 84 Z. 9 v. u. erklären
Ew. Excellenz gewiß richtig so, daß
ōrang
Genetiv sei, allein das diesem entsprechende p 60
Z. 8. v. u. würde ich auch so erklären, daß von
terima
zwei Genetiven in verschiedenem
Grade abhangig gemacht seien; nämlich: Nicht ist Gottes Annahme
seiner Fasten. Denn zwischen dem
nia
in
tañgkap-nia
und
allah
im letzten Beispiel scheint mir kein syntaktischer
Unterschied zu sein. Dann braucht man nicht anzunehmen, daß
puasa-nia
Accusativ sei, und
rettet die Consequenz der Malaiischen Grammatik. Daß man dafür auch eben so gut
puasa nia de terima
allah
sagen könnte, wäre möglich; allein ich finde bei
Marsden
zwar
Beispiele, daß Pronomina als Subjecte (im Malaiischen Sinn) vor dem de stehen, allein kein reines Nomen, außer solche, wie
S. 60 Z. 5 v. u., wo
arta
amba
steht, und wo mir auch nur das Pronomen
amba
diese Abweichung
hervorgebracht zu haben scheint. Für diese Stellung ist das Beispiel S 84 Z. 6
u. 7 v. u. sehr lehrreich. Daraus würde folgen, daß das Subject (nach
malaiischer und auch nach europäischer, nämlich passiver, Construction), wenn es
Pronomen ist, vor de stehen kann, wenn es Nomen ist,
hinten stehen muß (als Genetiv), mit Ausnahme solcher Nomina, die mit
Possessivpronomen verbunden sind. Dies genauer zu untersuchen, habe ich jetzt
einige Seiten in dem Werke des
Bochari
,
Makuta
segala rajah rajah
Bei
dem genannten Werk müsste es sich um die malaiisch-niederländische Ausgabe
von Roorda van Eysinga aus dem Jahr 1827 handeln. Dieser Band befand sich auch im Besitz von
Wilhelm von Humboldt: Schwarz 1993, S. 42. 44 Nr. 317, mit Abb. des
Titelblattes auf S. 43. Siehe zum Überlieferungsstand Anfang der 1830er-Jahre
den Artikel von Eugène Jacquet (1832): Mélanges Malays, Javanais et
Polynésiens, No. II. Bibliothèque Malaye. In: Nouveau
Journal Asiatique 9, Février, S. 105f. Nr. 9. [FZ], das ich
besitze, soweit es mir ohne Lexikon verständlich sein konnte, gelesen, allein zu
meiner großen Verwunderung gefunden, daß darin jene Constructionsart nur sehr
selten erscheint; nämlich auf 4 Quartseiten nur zweimal, und das stets in
Versen, allein auch immer in Beispielen, die den bei
Marsden
ganz analog waren.
Ich muß besorgen, daß diese Bemerkungen Ew. Excellenz gar geringfügig erscheinen,
dennoch sind sie für mich wichtig, da sie mit einem viel bedeutenderen Puncte
genau zusammenhangen. Ew. Excellenz sagen nämlich, nachdem Sie bemerkt haben,
daß
puasania
im obigen Beispiele Accusativ sei:
„Wenn Völker in ihren Sprachen den Weg der richtigen Formerfindung verfehlen, so
leitet sie doch ein undeutliches Gefühl dahin, die von ihnen an die Stelle der
wahren Formen gesetzten Surrogate den ersteren so nahe als möglich zu bringen.“
Ich muß offenherzig gestehen, daß diese Worte, als eine Erklärung der
Differenzen zwischen der malaiischen und etwa den europäischen Grammatiken,
mir in hohem Maaße auffielen, ohne Zweifel deshalb, weil ich den
Satz mit einer Reihe von Ansichten, an die ich mich bereits gewöhnt hatte, nicht
zu vereinigen vermochte. Um kurz zu sein, so hat das Studium von
Marsdens Grammatik ein höchst trübes Gefühl in mir erregt; ich sehe
im Malaiischen allenthalben eine Zerstörung und Vernichtung, wie ich nur eine
entfernte Analogie davon im Wesen des Neugrie-chischen finde. Mir
erscheint diese Sprache als, wie etwa eine elende Hütte erscheinen
würde, welche schiffbrüchige Matrosen aus den Brettern ihres stattlichen
Schiffes gebaut haben, sich vor Wind und Wetter zu schützen. Abweichungen also
von Grundregeln einer allgemeinen Grammatik, wie dies de
vielleicht auch sein möchte, glaubte ich dabei erklären zu müssen, als schwache
Versuche, zu denen die Noth das Volk trieb, genügendere Mittel, die im Sturme
der Zeiten verloren gegangen seien, zu ersetzen. Und sollte ich mich daran
irren, sollte dergleichen vielmehr in einem ursprünglichen Fehlgreifen des
Volkes in der Bildung seiner Sprache seinen ersten Grund haben, so würde mich
das gar sehr schmerzen. Ich habe nämlich aus jener Ansicht von der Malaiischen
Sprache, und ich glaube mit Recht, weiter geschlossen auf ein sehr bewegtes
Leben, welches das Volk durchlebt haben muß, ehe es zu der tiefsten Erniedrigung
gekommen ist, in der es uns allein bekannt geworden ist; es konnte für mich
keinen besseren Beweis geben, daß das Malaiische Volk viel älter und berühmter
ist, als es jetzt selbst glaubt, und ich war manchmal nicht sehr fern davon,
nach Analogie des
Neugriechischen,
Neugriechischen
auf einen Zustand zu schließen, der dem der alten Griechen unfern sein möchte,
ein Schluß, der nach der Vergleichung
von
des
jetzigen Zustandes von
Java mit demjenigen, welchen die Sage uns
dort kennen lehrt, nicht zu gewagt scheinen möchte.
Indem ich hier diese Bemerkungen abbreche, denen ich bei Ew. Excellenz wohl sehr
ein geneigtes Gehör wünsche, nehme ich mir die Freiheit, Ew. Excellenz mit einer
Anfrage zu behelligen, die mich allein betrifft. Privatangelegenheiten nöthigen
mich, im Laufe dieses Jahres nach Berlin zu
kommen; ich werde dies aber jedenfalls so einrichten, daß ich zugleich
Gelegenheit habe, Ew. Excellenz meine Aufwartung zu machen. Und deshalb bin ich
so frei, Ew. Excellenz um gefällige Nachricht zu bitten, ob Sie vielleicht am
Ende des Juli noch in Tegel sich befinden
sollten, oder etwa in ein Bad reisen würden. Im letzten Falle werde ich erst im
Herbste nach Berlin kommen.
Indem ich endlich noch die Versicherung meiner unveränderlichen
Hochachtung und Verehrung hinzufüge, unterzeichne ich mich
Ew.
Excellenz
ganz ergebenster
Meinicke
Prenzlau
den 1sten Juni 1834.
S. Excellenz
dem Herrn Staatsminister Freiherrn W. v.
Humboldt
Berlin
beiliegend ein Buch in gr. Leinwand
gez. K.
B
Berlin.