Wilhelm von Humboldt an Karl Jakob Alexander Edler von Rennenkampff, 12.08.1833<idno type="BBAW">540</idno> Wilhelm von Humboldt: Online-Edition der sprachwissenschaftlichen Korrespondenz Frank Zimmer Editor Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0) Handschrift verschollen; handschriftlich von Leitzmann korrigiertes Exemplar von Distel 1883: Jena, ThULB, Nachl.A.Leitzmann V,1, Nr. 437 Grundlage der Edition: Distel 1883, S. 40–44 Mattson 8517 August I., Großherzog von Oldenburg Cäcilie, Großherzogin von Oldenburg, geb. Prinzessin von Schweden Frerichs, Johann Heinrich Friedrich Grote, Julie Dorothea Louise Freifrau, geb. Freiin von Rahden Grote, Wilhelm Heinrich Andreas Christian Freiherr Hedemann, Adelheid von, geb. von Humboldt Hedemann, August Georg Friedrich von Humboldt, Caroline von, Tochter von Wilhelm von Humboldt Rennenkampff, Elisabeth Dorothea Edle von, geb. von Anrep Rennenkampff, Karoline Edle von, geb. Freiin von Dalwigk zu Lichtenfels Tausend Dank, verehrtester Freund, für Ihren gütigen und freundschaftlichen Brief vom 25. Julius … Humboldt, Wilhelm von Norderney Rennenkampff, Karl Jakob Alexander Edler von 25.07.1833 Altfriesisch FZ 8. September 2020 in Bearbeitung

Tausend Dank, verehrtester Freund, für Ihren gütigen und freundschaftlichen Brief vom 25. Julius, den wir alle mit größter Freude gelesen haben, und für den herzlichen Antheil, den Sie an meiner Badekur und meiner Gesundheit nehmen. Ich bin bis jetzt vollkommen wohl, habe das Baden keinen Tag ausgesetzt und die Witterung begünstigt in diesem Jahre den Gebrauch des Seebades auf eine ganz ausgezeichnete Weise. Wir haben fast immer heftige Winde und also kräftigen Wellenschlag gehabt, und auch für den Genuß der Luft ist bis auf wenige Tage das Wetter theils schön theils recht leidlich gewesen. Ihre Beschreibung von Wangeroge und den dortigen Festen hat uns sehr interessirt. Die Freude, mit welcher man Ihr Fürstenpaar empfangen hat, ist sehr begreiflich. Der Großherzog und die Großherzogin beweisen schon dadurch das Vertrauen, welches sie Ihnen beweisen, den ihnen eignen tieferen und zarteren Sinn. Ich zweifle auf keine Weise, daß die Anstalten in Wangeroge durch die Sorgfalt der Regierung mancherlei Vorzüge vor den hiesigen haben mögen. Sie wissen aber, liebster Freund, aus eigenem Gefühl, daß man Anhänglichkeit an Orte wie an Menschen gewinnt und sie dann nicht gern mit anderen vertauscht. So geht es mir mit dieser kleinen Insel, die mir durch den diesjährigen Aufenthalt noch werther geworden ist. Diese Empfindung ist eigentlich unabhängig von der ärztlichen Wirkung. Was aber diese betrifft, so kann ein anderer Strand wohl gleich gut, gewiß aber keiner besser sein, da der hiesige, oft selbst ohne bedeutenden Wind, wellenreich ist und auch bei dem heftigsten Sturm immer das Baden erlaubt. Meine kleine Wohnung hat den Vorzug der Stille und Abgeschlossenheit und einer freundlichen Aussicht. Ich wohne vollkommen so, als wenn ich ein eigenes in einem Garten gelegenes Haus hier besäße. Der Umgang mit Herr und Frau Grothe Leitzmann ergänzt zu „von Grothe“. – Wilhelm Freiherr Grote war von 1829 bis 1848 oldenburgischer Regierungspräsident des Fürstentums Lübeck mit Sitz in Eutin. [FZ] ist sehr angenehm für uns hier geworden und wir haben uns sehr oft gesehen. Sie werden, nach ihrem jetzigen Plane, am 24. huj. von hier abreisen. Ich habe mich in diesem Jahre von der Gesellschaft gänzlich zurückgezogen und das Conversationshaus bloß an festlichen Tagen Königl. Geburtstagsfeiern auf eine halbe Stunde besucht. Die Wochen, welche ich hier zubringe, sind zwar eine große und störende Unterbrechung des häuslichen Lebens und der gewöhnlichen Beschäftigungen, sie haben aber doch auch einen innerlichen Werth für mich. Ich pflege hier so gut, als ohne Bücher, zu leben und die Bücher ziehen den Geist in einen ihnen gemäßen Strom, den es sehr gut ist, eine längere Zeit hindurch durch den aus dem eigenen Innern kommenden zu kreuzen. Auf diese Weise theilt meine Badereise mir das Jahr in zwei Perioden ungleicher, aber einander gerade dadurch unterstützender Beschäftigung. Zugleich erlaubt und fordert dies freie Schweifen der Gedanken lange Spaziergänge, die hier an dem offenenLeitzmann korrigiert zu „offnen“., schönen Meeresufer und in einigen grünen und einsamen Orten zwischen den Dünenreihen sehr einladend sind. Mit dem 21. huj. ist meine Kur geendigt und ich hoffe gewiß den 24. in Oldenburg zuzubringen und mich des freundschaftlichen Gespräches mit Ihnen und den Ihrigen zu erfreuen. Graf ManteufelLaut Distel 1883, S. 43 Anm. 1: "[e]in entfernter Verwandter Rennenkampffs, welcher in Esthland lebte". Eventuell ist damit Peter August Friedrich Graf von Manteuffel (1768–1842) gemeint, ein auf Estnisch publizierender Schriftsteller. Ein Kontakt zu Humboldt ist allerdings nicht belegt. [FZ] hat zwar die Besorgniß bei mir erweckt, daß die Eutinische Reise mich wieder des Vergnügens berauben könnte, Sie, theuerster Freund, anwesend zu finden. Indeß schien dies doch noch ungewiß, und wir wollen hoffen, daß das Schicksal es weniger feindlich fügen wird. Ich hatte mich auf diesen Tag ruhigen Gespräches mit Ihnen so sehr gefreut. Ich reise mit meinen beiden TöchternD.h. Caroline und Adelheid. [FZ] und meinem Schwiegersohn bis Oldenburg. Dort trennen wir uns, da er über Hannover und ich mit meiner ältesten Tochter über Hamburg unsern Weg nehmen. Mein Schwiegersohn hat einen so beschränkten Urlaub, daß er leider gar nicht wird das Vergnügen haben können Ihnen seinen Besuch abzustatten. Er und seine Frau tragen mir auf Ihnen ihr lebhaftes Bedauern hierüber zu bezeugen. Leben Sie recht wohl und erhalten Sie mir Ihr freundschaftliches und liebevolles Andenken. Ihrer Frau Gemahlin und Frau Mutter bitte ich meiner innigsten Verehrung zu versichern. Ich freue mich sehr, doch gewiß zu sein, sie beide am 24. in Oldenburg zu finden. – Ich sehe so eben beim Durchlaufen dieses Blattes, daß ich vergessen habe der Spracharbeiten des Predigers in Wangeroge zu gedenkenDistel 1883, S. 43 Anm 2: "Gemeint ist der 1837 als Hofprediger zu Oldenburg verstorbene Joh. Heinr. Friedr. Frerichs. (N. Nekrolog der Deutschen 15. Jhrg. 1837 I. S. 100 flg., bes. 105)." Zu Frerichs (1805–1837) siehe Neuer Nekrolog der Deutschen 1837, S. 100–108, bes. S. 104f. mit Erwähnung seiner Studien zum Altfriesischen sowie zu seiner kirchlichen Laufbahn: Johannes Ramsauer (1909): Die Prediger des Herzogtums Oldenburg seit der Reformation, Oldenburg: Littmann, S. 150, 173, 243. – Frerichs’ Studien zum Altfriesischen blieben zu seinen Lebzeiten unpubliziert, wurden aber 1847 postum im Friesischen Archiv, S. 3–109 unter dem Titel "Mittheilungen aus der Sprache der Wangeroger" veröffentlicht; siehe hierzu die Rezension in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung München, Nr. 235 vom 23. August 1847, S. 1874. [FZ]. Sie sind aber sehr wichtig, und Sie werden etwas sehr Nützliches stiften, wenn Sie ihn zu der Fortsetzung derselben und der Herausgabe der endlichen Resultate recht angelegentlich ermuntern. Mit der innigsten und hochachtungsvollsten Freundschaft der Ihrige

Humboldt.

Norderney den 12. August 1833.

.

Briefschluss