Ew. Wohlgebohrnen gütigen Brief vom 12. März
d. J. hat mir ein ungemeines Vergnügen gemacht, und ich sage Ihnen
dafür, und die Schriften, welche ihn begleiteten, meinen lebhaftesten und
aufrichtigsten Dank. Es ist mir auch vorzüglich angenehm, daß Sie mir erlauben,
Ihnen Deutsch zu schreiben. Es freut und schmeichelt zugleich, zu sehen, daß
Fremde den Gebrauch unserer Sprache gern beibehalten, und ich sehe aus den
wenigen Zeilen, die Sie mir selbst Deutsch geschrieben haben, wie gut und genau
Sie mit unserer Sprache u. selbst mit unseren Buchstaben vertraut sind.
Die Ernennung zu einem Mitgliede der
Academie
zu
Boston
ist mir ungemein erfreulich gewesen. Ich danke
Ew. Wohlgebohren für den gütigen Antheil, den Sie daran gehabt haben, und habe
es für schicklich gehalten, in der Inlage dem
Praesidenten
meine Dankbarkeit
ausdrücklich zu bezeugen.
Ihre Abhandlungen habe ich mit dem lebhaftesten Vergnügen, und sehr großem
Interesse gelesen. Ich bin nicht weniger begierig auf die über die Sprache der
Wallachei, und Sie werden auch ausnehmend verbinden,
wenn Sie mir dieselbe, sobald sie erschienen seyn wird, zukommen lassen. Ich
bitte Sie dagegen, ganz über mich hier zu verfügen, und mich mit Ihren
litterärischen Aufträgen, wo Sie es nöthig finden, zu beehren. Der einzige
Umstand, daß ich den größten Theil des Jahres auf entfernten Landgütern
zubringe, könnte mich bisweilen hindern, dieselben so schnell, als ich es
wünschte, zu besorgen.
Der Antheil, den Ew. Wohlgeb. und einige andre Ihrer Landsleute mir und meinen
Arbeiten schenken, ist mir gleich ehrenvoll und erfreulich. Ich wünsche nichts
mehr, als ihn immer mehr zu verdienen, u. widme jetzt alle meine Kräfte und Muße
meinen Untersuchungen über die Amerikanischen Sprachen. Ich bearbeite dieselben
vorzüglich in Absicht auf das philosophische Sprachstudium, und kann nicht genug
sagen, wieviel Belehrung sie mir schon in dieser Hinsicht gewährt haben.
Ich habe neulich bei der Akademie der Wissenschaften
in
Berlin
eine
Abhandlung vorgelesen, in der ich der
Amerikanischen Sprachen oft Erwähnung gethan. Ich habe nemlich einen Unterschied
zwischen Sprachen festzustellen gesucht, die wahrhaft grammatische Formen
besitzen, wie die Lateinische, Griechische u. s. f. und solchen, die
nicht bis dahin gelangt sind, u. gewissermaßen nur Analoga von Formen haben, wie die meisten Amerikanischen. Es ist
unmöglich einen Begriff, der auf einem sehr feinen Unterschiede beruht, in einem
Briefe deutlich zu machen, allein vielleicht verstehen Ew. Wohlgeb. meine
Meynung, wenn ich Ihnen sage, daß ich unter Form eine solche mir denke, die sich
nicht in einzelne Elemente zerlegen läßt, sondern gleichsam aus einem Stücke
gegossen ist. Ich halte diesen Unterschied in Absicht auf die Ideenentwicklung
und die intellektuelle Ausbildung der Nation, welche eine solche Sprache redet,
für ungemein wichtig. Sobald die Abhandlung gedruckt
seyn wird, werde ich mir die Freiheit nehmen, dieselbe Ihnen zu schicken.
Ich empfehle mich Ew. Wohlgebohren gütigem Andenken, und habe die
Ehre, mit der ausgezeichnetesten Hochachtung zu verbleiben
Ew.
Wohlgebohren
ergebenster,
Humboldt.
Tegel bei Berlin, den 2. October, 1822.
Ich schreibe heute H. Pickering
über
Paris
u. bitte Sie, es ihm zu sagen
im Fall mein [Brief](508) noch nicht angekommen
wäre.